Quo vadis Germania?

Check, Samstag, 31. Mai 2003, 06:00 (vor 7656 Tagen)

Selbstbewusst legte Kanzler Schröder am 24. März
dieses Jahres im Schulterschluss mit Paris und
Moskau ein Memorandum vor, das die amerikanischen
Absichten im Irak unterbinden sollte und dem sich
auch die chinesische Regierung anschloss. Stolz
verkündete die deutsche Seite, nicht Deutschland
und seine zahlreichen Freunde und Verbündeten,
sondern Bush und Blair seien die politisch
Isolierten.

Damit ist es nun vorbei. Nur etwas mehr als drei
Monate hielt die Achse des Guten aus Deutschland,
Frankreich und Russland, die der deutschen
Bevölkerung als Ersatz für die zerbrochenen
transatlantischen Beziehungen verkauft werden
sollte. Wenn US-Präsident George Bush dieser Tage
den alten Kontinent besucht, wird er um
Deutschland als einziges großes Land einen ebenso
großen Bogen machen. Damit dürften sich die
Spekulationen erübrigen, die Amerikaner seien ja
ohnehin viel mehr über die renitenten Franzosen
verstimmt als über die wackeren Deutschen.

Tatsache ist, dass nun das Szenario Wirklichkeit
zu werden scheint, das hinter vorgehaltener Hand
schon seit längerem als Leitlinie amerikanischer
Außenpolitik gehandelt worden war. Während sich
die Franzosen zwar Kritik aus Washington anhören
dürfen über ihre Haltung zum Irakkrieg, dürfen die
Deutschen noch nicht einmal das: Sie werden
schlichtweg ignoriert. In einer Sachfrage anderer
Meinung sein, ist die eine, dies im Wahlkampf auf
Marktplätzen lauthals herauszuschreien, jedoch die
andere Seite.

Nun könnte man meinen, die Deutschen, denen seit
September nichts verhasster schien als das
Mc-Donalds-Restaurant um die Ecke und die auf
einmal zu glühenden Bekennern
nicht-genmanipulierten Sauerkrauts emporstiegen,
hätten endlich das, was sie ohnehin schon immer
wollten: Den Bruch mit dem Reich des Bösen, den
Vereinigten Römischen Staaten von Amerika. Dabei
war es doch Deutschland, dessen Könige sich noch
bis 1806 mit einer römischen Krone schmückten und
deren sozialdemokratische Nachfolger nun
behaupten, Deutschland sei nur noch die römische
Provinz Germania unter amerikanischer
Statthalterschaft. Oh du stolzes Germanien!

Dabei hätte man es doch allzu gern gesehen, wenn
man am besten noch ganz Europa in dieses
Zerwürfnis mit dem amerikanischen Prinzipaten
hätte einbeziehen können. Daraus scheint aber nun
nichts mehr zu werden: Bush wird in nahezu allen
europäischen Hauptstädten ein Tet-a-Tet mit den
wichtigen Staat- und Regierungschefs der
westlichen Welt haben, während der deutsche
Kanzler am Katzentisch seine schwachbrüstige
Sozialagenda durchpeitschen muss und
wahrscheinlich noch nicht einmal mehr von seinen
Parteitagsfreunden Beifall für seinen mit
antiamerikanischen Stacheln gepickten Wahlkampf
erhalten dürfte. Besonders schmerzlich für den
Populisten: Gerade Chirac und Putin werden
Freundlichkeiten mit Bush austauschen, während
Schröder im Abseits wehmütig an gemeinsame
friedensbewegte Zeiten denken wird.

Deutschland ist innenpolitisch zum kranken Mann
Europas geworden und nun auch noch außenpolitisch
marginalisiert. Das für die deutsche
Volkswirtschaft so unendlich wichtige Verhältnis
zu Amerika ist politisch zerstört und man mag nur
hoffen, dass sich die Auswirkungen auf die
wirtschaftlichen Beziehungen im Schaden werden
begrenzen lassen können. Verteidigungspolitisch
phrasiert man zwar über eine gemeinsame
europäische Verteidigungsidentität, aber im
eigenen Saustall reichen die Mittel noch nicht
einmal für die Abschaffung der Wehrpflicht, sollte
man dies denn tatsächlich politisch wollen,
geschweige denn für die Umrüstung der Bundeswehr
in eine Armee, die zukünftigen Herausforderungen
auch nur im Ansatz gerecht werden könnte.

Da bleiben einem nur noch die Worte eines
Christian Ströbele als Trost: Der bedankte sich
seinerzeit auf einer Antikriegsdemo bei
zahlreichen Freunden und Verbündeten für die
solidarische Haltung von Staaten wie Angola,
Kamerun und Guinea. Wir sehens schon: Deutschland
muss einfach bescheidener werden. Auch in der Wahl
seiner Bündnispartner und notfalls halt allein
gegen den Rest der Welt. Quo vadis Germania?


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