Das Internet ist Mist

Alter Schmock, Mittwoch, 11. Juni 2003, 15:31 (vor 8001 Tagen) @ Alter Schmock

Von wegen "das Internet kostet nix!" Nur der Tod
ist kostenlos, und für den ganzen Rest mußt du
blechen bis an dein Lebensende. Ist dir eigentlich
schon aufgefallen, daß ein Großteil deiner
horrenden Telefonrechnung auf die Übertragung von
Werbebildchen zurückzuführen ist? Die meisten der
ach so kostenlosen Internetdienste (Suchmaschinen,
electronic newspapers, Datenbanken, ...)
finanziert sich über Reklame. Der Werbende baut
darauf, daß du, der du eigentlich gerade mit etwas
ganz anderem beschäftigt bist, auf seinen
Werbebanner klickst, seine aufwendig gestalteten
Reklameseiten aufmerksam und wohlwollend studierst
und sofort anschließend (per e-mail) seine für
dich nun unverzichtbar gewordenen Produkte
bestellst, von deren Existenz du noch Sekunden
vorher keine Ahnung hattest. Gewichtige Bücher,
schnelle Autos, extrakalte Kühlschränke,
fehlerhafte Software, veraltete Hardware.

Nette Idee. Einziger Haken an der Sache: it does
not work, baby. Das e-zine Wired hatte neulich die
Frage gestellt: "Welche Links würden Sie nie
anklicken?" und sie gleich beantwortet: Links mit
der Bezeichnung "click here!", wohl wissen, daß
man mit Sicherheit genau da landet, wo man gerade
jetzt nicht hinwill (dies gilt zumindest für nicht
völlig ahnungslose Datenjäger. Nun ist ein
globaler Marktschreier zwar prinzipiell weltweit
zu hören, aber nur, wenn jemand hinhört- und wie
ist das: liest du allwöchentlich das schmierige
Anzeigenblättle, das jeden Mittwoch deinen
Briefkasten verstopft? Schaust du Spielfilme nur
an, weil die Werbeblöcke so spannend sind?
Forderst du immer "völlig unverbindlich unsere
umfangreiche Informationsbroschüre" an, wenn man
dich darum bittet? Dann funktionierst du so, wie
es sich Mr. Buyme von der Click Here! Global
Advertising, Inc. wünscht. Mein herzliches
Beileid.

"Stupid aliens ate my Buick / sister / dick!"
Da die Wahrscheinlichkeit einer Internetpräsenz
linear mit dem persönlichen Knallkopffaktor
zunimmt, sind natürlich ausgerechnet die Leute
garantiert in Netz vertreten, die die heftigste
Klatsche haben. Bezeichnend, aber nicht
überraschend, ist, daß die "Heaven´s Gate"-Sekte
ihr Geld mit der Gestaltung von Web-Sites
verdiente, ebenjene Sekte aus San Diego, die sich
Ende März 1997 dreidutzendfach entleibte ("wir
verlassen lächelnd unsere Container"), um die
letzte Raumfähre zum intergalaktischen Space
Cruiser zu erwischen, der sich bekanntlich im
Windschatten des Hail-Bopp-Kometen versteckt. Das
ist schon wieder so komisch, daß es fast nicht
mehr entsetzlich ist. Ich würde hier gerne einen
Link auf die Original "Heaven´s Gate"-Homepage
hinsetzen, aber den Server gibt es nicht mehr. Der
Web-Administrator ist ... äh ... verreist. Der
Kram ist aber gespiegelt und so für die
zurückgebliebene, bemitleidenswerte Nachwelt
erhalten geblieben; in diesem Fall von der sonst
so humorlosen Washington Post, ansonsten aber auch
noch auf etwa zwei Dutzend anderen Servern im
Netz.
(http://www.trancenet.org/heavensgate/index.html)
Komplett mit Zugangshinweisen zum Himmelstor und
schon wegen dem gütig lächelnden Alien sehr
besuchenswert. (http://www.heise.de/tp/deutsch/inh
alt/glosse/1162/1162_1.jpg)

Natürlich hatte Sektengründer "Do" Applewhite
zuerst im Netz von jenem UFO erfahren. Diese
(wahrscheinlich per Präsidentenerlaß unterdrückte)
Nachricht ist eine von mehreren Dutzend
Lieblingsverschwörungen, die amerikanische und
europäische Paranoikerhirne verkleben. Und
wahrlich: Der Westen scheint mit seiner offenen
Gesellschaft und seinem eher ungefügen
Sozialgefüge besonders anfällig für derartige
Phantastereien zu sein. In der guten, alten
prä-digitalen Zeit mußte man noch tonnenweise
Flugblätter kopieren, um die bedrohte Welt mit
schrägen Angstphantasien belästigen zu können.
Heute ist der Aufwand leider deutlich geringer.
Plattenspeicher auf Web-Servern gibt´s für
Pfennigbeträge, und gutplazierte "Dokumente"
gewinnen, einmal veröffentlicht, ein
unkontrollierbares Eigenleben. Gleichgesinnte
Mitstreiter sorgen immer für die Verkündung auch
der allerabgefahrensten Gedankengänge. Bewohner
anderer Kontinente müssen zum Eindruck gelangen,
daß es am Himmel über den USA von UFOs, schwarzen
UNO-Hubschraubern, geklauten fighter jets und
schäbigerweise abgeschossenen Jumbos nur so
wimmelt. Nach einer aktuellen Newsweek-Umfrage
behaupten etwa 19 Mio. Amerikaner, sie hätten
schon einmal ein UFO gesehen. Folglich sind die
Einkaufspaläste mit lächelnden, kuhäugigen, aber
fleischfressenden Aliens überfüllt, und oft stehen
längst verstorbene, weil meuchlings ermordete
Filmstars hinter dir an der Kasse. Im Zweifelsfall
hat übrigens immer die Regierung Schuld. Aber
eigentlich nur George W.


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