Nach den Kühlschränken nun in loser Folge noch einige Erfolgsgeschichten aus dem Paradies der Arbeiterselbstverwaltung.
Heutiges Thema: das Telefon.
In der SFRJ gab es öffentliche Fernsprecher, sie waren dick und rot und funktionierten folgendermaßen:
Ein kleines grünes Licht signalisierte: Ich bin gesprächsbereit. Nahm man dann den Hörer ab, schnellte die Gabel nach oben und das Licht sprang um auf Rot; das hieß: Ich will Dinare haben. Warf man einen oder mehr Dinare ein, wurde das Licht wieder grün, man konnte wählen und sprechen.
Aber! Es gab eine andere Lösung, die beherrschten nur wenige Leute, weil dazu eine überdurchschnittliche Sensibilität in den Fingern und sehr viel Übung gehörte (ich habe es allein nie geschafft):
Man zog die Gabel ganz ganz langsam wieder nach unten. Etwa auf der Hälfte der Strecke gab es einen kaum wahrnehmbaren kleinen Knacks. Wenn man den spürte, musste man die Gabel 2-3 Sekunden festhalten, und dann sprang das Lämpchen wieder auf Grün. Man ließ die Gabel vorsichtig los und konnte wählen und sich unterhalten, ohne einen einzigen Dinar investiert zu haben. Ein Gespräch nach Deutschland konnte dann auch schon mal eine Stunde dauern, je nachdem.
Leider gibt es diese Telefone heute nicht mehr.
Geschichten aus dem Paradies
Angel, Freitag, 29. August 2014, 18:36 (vor 3912 Tagen) @ Divara
Nach den Kühlschränken nun in loser Folge noch einige Erfolgsgeschichten aus dem Paradies der Arbeiterselbstverwaltung.
Leider gibt es diese Telefone heute nicht mehr.
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Es gab auch nie eine "Arbeiterselbstverwaltung", sondern eine Diktatur *über* die Arbeiterschaft.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Freitag, 29. August 2014, 19:40 (vor 3912 Tagen) @ Angel
Nach den Kühlschränken nun in loser Folge noch einige Erfolgsgeschichten aus dem Paradies der Arbeiterselbstverwaltung.
Leider gibt es diese Telefone heute nicht mehr.
[/color]
Es gab auch nie eine "Arbeiterselbstverwaltung", sondern eine Diktatur *über* die Arbeiterschaft.
Dem widerspreche ich nicht. Allerdings war diese Diktatur immer noch erträglicher als die in den W-Pakt-Staaten, und die Versorgung mit Lebensgütern klappte ein wenig besser.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Samstag, 30. August 2014, 08:38 (vor 3911 Tagen) @ Divara
Hier eine neue Geschichte aus dem Paradies, das sich sozialistsich nannte, aber mit dem Sozialismus so wenig zu tun hatte wie der Islam mit dem Islam. Das heutige Thema heißt:
Energiesparen:
Die SFRJ hatte wie alle ein Energieproblem. Sie hat es auf höchst originelle Weise in den Griff gekriegt: Man stellt einfach für ein paar Stunden den Strom ab. Denn abgestellten Strom, sagten sich die Arbeiterselbstverwalter, kann man nicht verbrauchen.
Das ging nun auf zweierlei Weise:
1. offiziell. Dann wurde es in der Zeitung, im Radio und, sofern man hatte, im TV angekündigt.
2. inoffiziell. Dann fiel der Strom eben einfach aus. In diesem Falle war es geraten, so zu tun als ob nichts wäre. Man sollte am besten auch gar nicht darüber reden. Nicht mal mit dem besten Freund.
Natürlich betraf das nur die Wohngebiete. Touristenrelevante Viertel hatten immer Strom.
Das Ganze lief dann folgendermaßen ab:
Wie in allen heißen Ländern üblich, ließ man auch in Jugoslawien der Hitze wegen tagsüber die Rollläden herunter. Im Haus herrschte immer schönes Dämmerlicht. Wollte man etwas lesen oder brauchte sonst etwas mehr Licht, machte man die Lampe an.
Sagen wir, gegen 5 Uhr nachmittags wurde abgestellt. Man stand vielleicht gerade unter der Dusche, aber das konnte man auch im Dunklen fortsetzen. Die Waschmaschine blieb stehen, das Radio ging aus – was soll’s. Denn um diese Zeit macht man sich fertig, um in die Stadt zu gehen und dort einen angenehmen Abend zu verbringen. Am Mittelmeer macht man das eigentlich täglich. Gearbeitet wird morgens und auch nicht zu viel.
Zwischen 11 und 12 Uhr nachts nimmt man den letzten Bus nach Hause. Um Mitternacht ist man da. Inzwischen ist auch seit 4 oder 5 Stunden der Strom zurück.
Die ganze Wohnung ist hell erleuchtet, denn beim Weggehen hat man vergessen, in der ohnehin dunklen Wohnung die Lichtschalter abzudrehen. Die Waschmaschine hat inzwischen den letzten Waschgang nachgeholt, sie steht aber immer noch unter Strom. Das Radio läuft. Der Kühlschrank ackert was er kann, um wieder auf die notwendige Temperatur zu kommen. Das alles seit 4 oder 5 Stunden, in denen niemand zu Hause war.
Es lebe die freie Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien!
Geschichten aus dem Paradies
udosefiroth , Samstag, 30. August 2014, 11:23 (vor 3911 Tagen) @ Angel
"Es gab auch nie eine "Arbeiterselbstverwaltung", sondern eine Diktatur *über* die Arbeiterschaft."
__________________________________________________________________________________
Ja besser kann / konnte man den real existierenden Sozialismus nicht beschreiben+++
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Sonntag, 31. August 2014, 09:00 (vor 3910 Tagen) @ udosefiroth
Bevor ich nun zu meinem nächsten Coup aushole, hier auch einmal etwas Positives, denn natürlich war nicht alles schlecht im Paradies.
Folgende Regelungen gefielen mir sehr gut:
1. Man weiß, dass es am Mittelmeer atemberaubend schöne Orte gibt. Die Altstadt von Dubrovnik gehört zu den schönsten, die ich je gesehen habe. Die gesamte mittelalterliche Bausubstanz war erhalten. Die Häuser waren zumeist eher schmal und hoch, und manch reicher Amerikaner hätte sich wohl gern so ein Haus gekauft, es saniert und als Ferienhaus benutzt und vermietet.
Aber es war nicht erlaubt, Immobilien an Ausländer zu verhökern. Einerseits hieß das zwar, dass die fällige Sanierung ausblieb – die sanitären Anlagen waren nicht gerade vom Feinsten. Aber dadurch wurde Dubrovnik kein Freiluftmuseum. Mitten in der Altstadt saßen die Großväter auf der Bank vorm Haus, spielten die Jungs Fußball und trafen sich die Schulkinder. Hausfrauen liefen mit Einkaufstaschen herum, denn die Geschäfte verkauften Nützliches und nicht nur Touristenkram. Das gab (und gibt) es in anderen Mittelmeerländern nur noch selten.
2. Hotels werden meistens dort gebaut, wo die schönsten Strände sind, und diese werden dann den Einheimischen entzogen. In Jugoslawien hatte jeder Hotelstrand einen Zugang von außen, und jeder Bürger (Genosse) durfte dort baden. Für die Touristen hieß das, dass sie sich nicht in einer deutsch-englischen Kolonie befanden, sondern in Kontakt mit den Leuten, denen der Strand eigentlich gehörte.
3. Die meisten Hotels waren nicht so hässlich wie die auf Malle oder an der Algarve. Man investierte großzügig in die Architektur und achtete darauf, die Landschaft nicht zu sehr zu verschandeln. Die Ausstattung der Zimmer war allerdings eher mit der einer Jugendherberge zu vergleichen; die Preise hatten allerdings Weststandard. Das hieß, zwei Nächte dort hätten einen Jugoslawen fast den halben Monatslohn gekostet. Also gab es Extra-Preise für Einheimische, vergleichsweise auch nicht ganz billig aber erschwinglich.
Viel mehr fällt mir allerdings auch nicht ein. Aber immerhin.
Geschichten aus dem Paradies
Albert Schweizer, Sonntag, 31. August 2014, 22:38 (vor 3909 Tagen) @ Divara
Bevor ich nun zu meinem nächsten Coup aushole, hier auch einmal etwas Positives, denn natürlich war nicht alles schlecht im Paradies.
Folgende Regelungen gefielen mir sehr gut:1. Man weiß, dass es am Mittelmeer atemberaubend schöne Orte gibt. Die Altstadt von Dubrovnik gehört zu den schönsten, die ich je gesehen habe. Die gesamte mittelalterliche Bausubstanz war erhalten. Die Häuser waren zumeist eher schmal und hoch, und manch reicher Amerikaner hätte sich wohl gern so ein Haus gekauft, es saniert und als Ferienhaus benutzt und vermietet.
Aber es war nicht erlaubt, Immobilien an Ausländer zu verhökern. Einerseits hieß das zwar, dass die fällige Sanierung ausblieb – die sanitären Anlagen waren nicht gerade vom Feinsten. Aber dadurch wurde Dubrovnik kein Freiluftmuseum. Mitten in der Altstadt saßen die Großväter auf der Bank vorm Haus, spielten die Jungs Fußball und trafen sich die Schulkinder. Hausfrauen liefen mit Einkaufstaschen herum, denn die Geschäfte verkauften Nützliches und nicht nur Touristenkram. Das gab (und gibt) es in anderen Mittelmeerländern nur noch selten.
2. Hotels werden meistens dort gebaut, wo die schönsten Strände sind, und diese werden dann den Einheimischen entzogen. In Jugoslawien hatte jeder Hotelstrand einen Zugang von außen, und jeder Bürger (Genosse) durfte dort baden. Für die Touristen hieß das, dass sie sich nicht in einer deutsch-englischen Kolonie befanden, sondern in Kontakt mit den Leuten, denen der Strand eigentlich gehörte.
3. Die meisten Hotels waren nicht so hässlich wie die auf Malle oder an der Algarve. Man investierte großzügig in die Architektur und achtete darauf, die Landschaft nicht zu sehr zu verschandeln. Die Ausstattung der Zimmer war allerdings eher mit der einer Jugendherberge zu vergleichen; die Preise hatten allerdings Weststandard. Das hieß, zwei Nächte dort hätten einen Jugoslawen fast den halben Monatslohn gekostet. Also gab es Extra-Preise für Einheimische, vergleichsweise auch nicht ganz billig aber erschwinglich.
Viel mehr fällt mir allerdings auch nicht ein. Aber immerhin.
Dubrovnik ist so schön, dass es zur Ehr sogar eine Schweizer Schokolade gibt, die so heisst. Und die ist erst noch koscher:
http://www.camillebloch.ch/de/ragusa.html
(Dubrovnik hiess früher Ragusa)
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Montag, 01. September 2014, 10:10 (vor 3909 Tagen) @ Divara
Thema heute: Kosovo.
Ich resümiere zunächst mal Bekanntes:
Kosovaren, Albaner also, sind im Paradies schon immer ein Problem gewesen.
Die Serben konnten sie nicht leiden. Sie betrachteten das Kosovo als ihr Ursprungsgebiet, aus dem sie nach der Niederlage gegen die Türken 1648 vertrieben worden waren und An ihrer Stelle seien dann die Albaner dort eingesickert, hätten die Religion der Besatzer angenommen und seien also Kollaborateure. Das älteste serbische Patriarchat befindet sich in Peć.
Die Kosovaren verteten eine andere geschichtliche Version. Sie seien als Nachfahren der alten Illyrer vor den Römern in die Berge geflohen und erst nach 1648 in die Ebene zurückgekehrt. Sie seien also vor den Serben dagewesen.
Beides kann stimmen oder auch nicht. Exakte Forschungen stehen noch aus. Im sozialistischen Paradies durften solche Themen nicht angesprochen werden, denn alle waren Brüder und jede Form von Nationalismus galt als überwunden. Die Verwendung des Begriffs „Illyrer“ war verboten. Alle waren Jugoslawen. Man durfte höchstens sagen: ich komme aus Makedonien, Montenegro usw.
Es machte die Kosovaren sehr unglücklich, keine eigene föderative Republik zu haben, aber sie bekamen immerhin die Autonomie. Als sie dennoch nicht aufhörten, Serben zu massakrieren, nahm man ihnen die Autonomie wieder weg. Erst als Milošević ihnen zeigen wollte, wo der Hammer hing, bekamen sie Opferstatus und einen eigenen Staat. Aber damals gab es das Paradies ja schon nicht mehr.
Was die Kroaten anging, so hatten sie ein sehr zwiespältiges Verhälnis zu den Kosovo-Albanern. Einerseits waren sie sauer, dass viel von ihrem mit dem Tourismus verdienten Geld in das Kosovo gepumpt wurde, ohne dass sich etwas änderte. Denn der gläubige Kosovare dachte, dass Allah alles gibt und alles nimmt, er hat das zuvor bereits festgelegt, und sich anzustrengen wäre fast blasphemisch. Also blieb das Kosovo weiterhin ein Armenhaus.
Andererseits mochten die Kroaten die Kosovaren: der gemeinsame Hass auf die Serben machte sie fast zu Freunden. Außerdem musste ja jemand für den Abfall und die Straßenreinigung sorgen.
Ein dritter, weniger bekannter Aspekt kommt hinzu: die Albaner waren hervorragende Bäcker und ihre Kuchen waren berühmt.
Das aber ist ein eigenes Thema. Also dazu später mehr.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Montag, 01. September 2014, 11:52 (vor 3909 Tagen) @ Divara
Thema: Ergänzung zu den albanischen Bäckern.
Zunächst muss man sagen: die Kuchenkultur im Paradies war insgesamt hervorragend. Das dürfte wohl dem verbliebenen Einfluss der Türken zuzuschreiben sein, wie auch sonst auf dem Balkan bis hinauf nach Österreich.
Aber wenige albanische Bäcker stellten eine besonderes Köstlichkeit her: kolać sa sirom, Käsekuchen, d.h. Blätterteich mit einer Füllung aus gesüßtem Schafskäse und das alles mit viel Puderzucker. Wer diese Kuchen haben wollte, musste allerdings manchmal weit laufen oder sogar den Bus nehmen und früh aufstehen. Denn spätestens um 9 Uhr waren alle kolaći weg.
Warum backte der Bäcker nicht einfach mehr davon?
Der marktwirtschaftlich orientierte Westler kommt nicht drauf. Dabei ist die Erklärung völlig einleuchtend:
Diese zwei oder drei albanischen Bäcker führten eine Privatbäckerei. So etwas war in Maßen erlaubt, allerdings unter einer Bedingung: man durfte dabei nicht wohlhabend werden. Man durfte auch nicht mehr verdienen als die arbeiterselbstverwalteten Bäckereien. Denn das hätten manche so interpretieren können, dass freie Marktwirtschaft doch besser funktioniert. Und dass es fleißige und faule Bäcker gibt, und der fleißige erfolgreicher ist.
Also saß der Bäcker ab 9 Uhr vor mehr oder weniger leeren Regalen und verkaufte ab und zu mal ein fades ungesalzenes Weißbrot und freute sich, wenn jemand auf ein Schwätzchen hereinkam. Möglichst ein Albaner, denn nicht jeder beherrschte wirklich Kroatisch.
Exkurs: Im Zentrum gab es ein von Mutter und Tochter privat geführtes Geschäft mit selbstgemachtem verführerisch schönem Modeschmuck. Die ältere Dame klagte (übrigens in fließendem Deutsch), dass sie noch viel mehr herstellen könnten, aber sie habe Angst, dass man ihr das Geschäft dann schließen würde. Die Selbstbeschränkung hat ihr nichts genützt. Ein halbes Jahr später war der Laden zu. Stattdessen konnte man dort nun Fotoapparate kaufen, die in etwa so aussahen wie die kleinen Plastikkameras, die man Kindern kauft. Wenn sie durch den Sucher gucken, dann sehen sie Bilder von Sehenswürdigkeiten, die sie gerade besucht haben. Die jugoslawischen Kameras waren natürlich sehr sehr viel größer und wurden von knipsenden Touristen als Unikum bestaunt.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Dienstag, 02. September 2014, 10:44 (vor 3908 Tagen) @ Divara
Von den Kosovo-Albanern gibt es noch mehr zu erzählen.
Thema heute: Auswandern:
Es war ziemlich schwer ihnen klarzumachen, dass man als „Gastarbeiter“ in Kroatien trotz aller Widrigkeiten immer noch besser lebte als ein Gastarbeiter in Deutschland, der Schweiz oder Schweden. Auch wenn man sich dieses oder jenes Konsumgut nicht leisten konnte.
Kosovaren kannten Gegenbeweise gegen meine Argumente. Da war z. B. der Bruder/Cousin/Onkel, der vor einem Jahr nach Schweden gegangen war, in einer Pizzeria gearbeitet hatte, nun mit einem BMW auf Heimaturlaub kam und auf dicke Hose machte. Meinen Einwand, dass ihm entweder der BWM nicht gehörte oder dass in der Pizzeria auch andere Dinge verkauft wurden als nur Pizza, wies man empört zurück.
Außerdem war da ja noch der andere Bruder/Cousin/Onkel. Er arbeitete in Deutschland in einer Holzfirma. Leider ergab sich kurzfristig, dass er in diesem Sommer nicht auf Urlaub nach Hause kommen konnte. Daraus schlossen die sozialistisch geschulten Familienmitglieder nun nicht, dass ein profitgeiler Unternehmer wegen guter Auftragslage seinen Arbeitern kurzerhand den Juliurlaub in den Wonnemonat November verlegt hatte, nein, man erstarrte vor Ehrfurcht. Der Bruder/Cousin/Onkel war die rechte Hand vom Chef! Ohne ihn lief nichts. Der Chef konnte einfach nicht auf ihn verzichten. Man war mächtig stolz auf ihn.
Das Leben in Deutschland/Schweiz/Schweden, so die Überzeugung, war leicht. Arbeit gab es immer. Und falls es damit schwierig wurde, musste man seine Arbeitskraft eben für etwas weniger Geld anbieten – und schwupp, man hatte den Job. Das Wort Tarifvertrag ließ sich damals ins Kroatische gar nicht übersetzen. Das Wort sindikat gab es zwar, aber was das war und wozu es nötig war, leuchtete niemandem ein.
Manchmal frage ich mich, ob bei diesen Boatpeople, die vor der Küste von Lampedusa absaufen, nicht ähnliche Vorstellungen zugrunde liegen. Keiner dieser Auswanderer kann es sich erlauben, seiner zurückgebliebenen Sippe zu erzählen, dass er für teures Geld in einer heruntergekommenen Wohnung wohnt, wie ein Stier für wenig Geld arbeitet und von den Deutschen blöd angeguckt wird. Was natürlich für die heutige Situation so auch nicht mehr stimmt.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Dienstag, 02. September 2014, 22:00 (vor 3908 Tagen) @ Divara
Das Kosovo braucht noch eine Ergänzung:
Folgendes kenne ich nur aus Erzählungen, es ist also unüberprüft.
Demzufolge gab es auch Kosovo-Albaner, die schon mal einen Blick auf die Westgrenze warfen und zu Maos kleinem Bruder schielten. Ob sie dachten, dort sei das Leben noch paradiesischer, weil dort der wahre Sozialismus herrsche, oder ob nationalistische Gründe eine Rolle spielten – ich weiß es nicht.
Nun galt diese Grenze gemeinhin als die dichteste Europas.
Darüber lacht ein Kosovare. In den Bergen kennt er sich gut aus und kann sogar Enver Hoxhas unzählige Bunkerchen umgehen. Also macht hier und da mal einer rüber.
Angeblich waren sie alle nach 48 (72?) Stunden wieder zu Hause und hielten nun das Kosovo tatsächlich für ein Paradies. Was sie dort gesehen hatten, gefiel ihnen dann doch nicht so ausnehmend.
Ein anderer Grund könnte auch eine Rolle gespielt haben.
Man hatte mir nämlich wie einem Papagei zum Nachplappern ein paar Wörter albanisch beigebracht: Guten Tag, wie geht es dir, ich heiße Divara, Zählen von eins bis zehn.
Sehr sehr viel später, in einem anderen Leben, saß ich einst mit einer Turigruppe in einem historischen Gebäude im Café und wir wurden von einer Albanerin bedient. Um ihr eine Freude zu machen und natürlich auch, um vor den Turis anzugeben, zog ich die paar Brocken Albanisch raus. Die Kellnerin lächelte freundlich aber herablassend.
„Das ist Kosovo-Albanisch“, sagte sie, „ so sprechen nur Bauern.“
Wohl deshalb gibt es heute noch kein Großalbanien, und das Kosovo, in dem die UNO-Gelder auch noch den letzten Rest Landwirtschaft ruiniert haben, wird sicher bald EU-Mitglied.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Mittwoch, 03. September 2014, 21:25 (vor 3907 Tagen) @ Divara
Das Kosovo hat nun fertig.
Thema heute: der Zoll.
Zollbestimmungen schützen die einheimische Produktion auch dann, wenn nicht viel produziert wird, das Einheimischen wirklich kaufen wollen bzw. können. So habe ich zum Beispiel keinen Jugoslawen mit einer dieser wunderbaren Kameras Fotos machen sehen.
Es gab allerdings durchaus Verführerisches: in Heimarbeit gefertigte Garderobe, die sich von dem Ketten-Krempel deutscher Innenstädte deutlich positiv unterschied. Es gab auch echten Schmuck, edel und nur für Touristen erschwinglich. Keramik, die keine Massenproduktion war, gute Lederschuhe und Handtaschen.
Interessant war auch das Sortiment an Naturheilmitteln, und insgesamt wirkten die Apotheken gut bestückt. Aspirin wurde in Lizenz hergestellt, trotzdem galt das auswärtige Aspirin – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – für wirkungsvoller. Übrigens nannte man Tabletten vielfach „aspirini“, während das tatsächliche Aspirin als „bajer“ (Bayer) bezeichnet wurde.
Aber der Bevölkerung fehlte vieles. Dennoch waren die Zölle enorm hoch. Sie beliefen sich etwa auf das Dreifache des ursprünglichen Preises. Das war Abzocke, aber das Sympathische war: man wurde fast nie kontrolliert.
So gelang es mir ohne Mühe, u. A. folgende Artikel einzuführen:
1 Bohrmaschine nebst Messgerät für die Elektroleitungen
1 Heißwasserkocher
1 Digitalklavier mittlerer Größe
1 Klarinette
1 kleine Stereoanlage nebst Kassettenteil und Kopfhörer
1 Bügeleisen
abgesehen von allerlei kleinem Schnickschnack…
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Donnerstag, 04. September 2014, 11:00 (vor 3906 Tagen) @ Divara
Natürlich führt auch kein Weg am Thema Islam vorbei.
Er ist also heute Thema.
Wir waren ein Gruppe von, je nachdem, 5 bis 7 Leuten, die sich am Spätnachmittag am Strand traf, die einen kamen nach der Arbeit, die anderen, falls künstlerisch tätig, vor der Arbeit. In der Regel ging es ziemlich gut gelaunt zu.
In einer kleinen Entfernung von unserem angestammten Platz an einem Hotelstrand lagen zwei offensichtlich nicht jugoslawische Männer und langweilten sich. Man hörte mal im Vorbeigehen Brocken in einer unverständlichen Sprache, und wir tippten auf Iraker. Denn Irak und Jugoslawien waren als Blockfreie dicke Freunde, und Studentenaustauch gab es auch.
Die beiden einsamen mutmaßlichen Iraker schielten nun immer öfter zu uns herüber und rückten täglich ein bisschen näher, sie suchten ganz offensichtlich Kontakt, und wir alle lächelten ihnen aufmunternd und einladend zu.
Dann passierte es: Es war der Tag, an dem ich nachmittags einen Kaffee in der Strandbar trinken wollte, und die war bei dem weitläufigen Strand um einiges entfernt. Ich machte mich also auf den Weg, trank den Kaffee und trat den Rückweg an. Aus der Entfernung sah ich: es hatte geklappt. Meine Freunde und die zwei Iraker saßen nebeneinander und unterhielten sich, das Eis war gebrochen, der Kontakt hergestellt.
Und ich wollte ihnen eine Freunde machen, sie willkommen heißen, mit einem Spaß, den kein Jugoslawe übelgenommen hätte: Ich schlang mir mein Badetuch wie einen halben Tschador um den Kopf und stieß freudestrahlend wieder zu der Gruppe. Meine Freunde (auch Muslime darunter) lachten schallend los – die beiden Iraker nahmen ihre Badetücher, standen auf, gingen weg und wurden nie wieder gesehen.
Und ich stand da mit dämlichem Gesicht.
Aus Rückschau kann ich nun sagen: das war der erste Hinweis, dass die Welt nicht friedlich bleiben würde.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Freitag, 05. September 2014, 10:25 (vor 3905 Tagen) @ Divara
So endete das Paradies.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Samstag, 06. September 2014, 19:41 (vor 3904 Tagen) @ Divara
Bei diesem Bild soll es natürlich nicht bleiben.
Es gibt auch post-paradiesische Zeiten.
2005 oder 2006 war ich zum letzten Mal in Dubrovnik. Die Altstadt war inzwischen wieder aufgeräumt. Viele Häuser hatten ganz neu gedeckt werden müssen. Schaute man von oben, etwa von der Stadtmauer über das Dächergewirr, so machte es den Eindruck eines Flickenteppichs.
Die Boutiquen mit den selbstgeschneiderten Kleidern gab es nicht mehr. Auch die Volkskunst war verschwunden. Stattdessen waren Esprit, Zara und Benetton eingezogen. Die spottbilligen superbequemen Mokassins waren verschwunden, jetzt wurden Highheels und Flipflops angeboten. Alles in allem: das Angebot war langweiliger, aber die Dubrovniker verdienten gutes Geld damit. Und das soll ihnen gegönnt sein, nachdem sie so lange auf so vieles verzichten mussten.
Überall gab es Diskotheken und teure Restaurants.
Glocken durften wieder läuten, und mache zweckentfremdete Kapelle war wieder als, wofür sie vorgesehen war.
Eine schöne Stadt war es trotzdem – nur vielleicht nicht mehr so exotisch.
Besonders positiv: Man hatte ein neues Krankenhaus gebaut. Das Hospital aus sozialistischen Zeiten hätte man bei uns keinem Asylanten als Unterkunft angeboten. Wer unbedingt operiert werden wollte, musste sein Verbandszeug selbst mitbringen. Das wenigstens war vorbei.
Entfernte man sich ein wenig von dem Kern der Stadt sah man anderes. Das Hotel, an dessen Strand ich einst die Iraker so tief beleidigt hatte, war nur noch ein riesiger Haufen zerschlagenes Beton. Davor stand noch ein kleines völlig ausgebranntes Auto – man fragte sich, ob sich der Fahrer noch rechtzeitig in Sicherheit hatte bringen können.
Ein weiteres Hotel, das zu den schönsten der Stadt gehört hatte, war zwar äußerlich intakt aber unbewohnbar. Man hatte dort zwei, drei Jahrelang Flüchtlinge aus dem Kosovo untergebracht. Nun musste es komplettsaniert werden.
Viele kleine Familienhäuser hatten Schaden genommen. Man hatte ein oder zwei Zimmer notdürftig wieder hergerichtet und baute den Rest nach Feierabend oder am Wochenende in Eigenarbeit wieder auf. Das dauerte natürlich.
Besonders schlecht hatte es die Bewohner einer Neubausiedlung namens Mokošica getroffen. Dort hatte man Wohnkomplexe gebaut, die man bei uns als sozialen Wohnungsbau bezeichnet hätte, aber für die Jugoslawen bedeuteten sie ein Maximum an Komfort. Das Pech: Mokošica lag/liegt am jenseitigen Ufer eines kurzen aber relativ breiten Flusses, Dubrovaćka Rijeka, der nur mehrere Kilometer landeinwärts eine Brücke hatte. Obwohl die Stadt in Sichtweite lag, dauerte die Busfahrt dahin fast eine Stunde. Dann aber bekamen die Bewohner endlich eine eigene Brücke und damit direkten Anschluss an die Stadt.
Diese Brücke hatte man natürlich besonders gern zerstört. Die Bomben hatte sie an der einen Seite aus der Verankerung gerissen und nun hing sie als wirre Ansammlung von Gestänge haltlos im Wasser.
Hinter Dubrovnik erhebt sich ein Hügel, der Berg Srđ (Sergio), früher ein begehrter Aussichtpunkt. Man konnte mit einer Seilbahn hochfahren, und dann am besten zu Fuß wieder hinunterwandern; der Blick über Stadt, Meer, Inseln und Gebirge war atemberaubend.
Dort hatten sich die Serben mit ihren montenegrinischen Verbündeten festgesetzt, und von dort schossen sie auf die Stadt und auf alles, was sich bewegte.
Die Seilbahn gab es nicht mehr, der Berg war Sperrgebiet. Denn jetzt saß dort oben kroatisches Militär und wachte über die Stadt.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Sonntag, 07. September 2014, 10:06 (vor 3903 Tagen) @ Divara
Ich komme langsam zum Ende.
Einiges konnte ich über Google und Googlemaps herausfinden:
Die Brücke von Mokošica ist wieder in Betrieb.
Das „Hotel der Iraker“ (Hotel Libertas) ist tatsächlich wieder aufgebaut worden – das habe ich nicht für möglich gehalten. Meiner Einschätzung nach hätte man den Betonschrott nur mit Erde bedecken und begrünen können. Aber es hatte sich ein Investor gefunden, offensichtlich ein Araber. Wer sonst?
Das „Hotel der Flüchtlinge“ (Hotel Argentina) ist saniert und beträchtlich aufgehübscht worden. Wahrscheinlich ist es jetzt unerschwinglich.
https://www.youtube.com/watch?v=NkDGtP8b3rI
Die FKK-Strände gibt es nicht mehr.
Und die Straßennamen haben sich fast alle geändert. Sie tragen Namen wie Zagreber Straße, Vukovar-Straße, Bosnien-Straße oder Namen von mir nicht bekannten Männern – wahrscheinlich Kriegshelden, was immer das auch sein soll.
Der Berg Srđ sieht völlig kahl aus, als wolle dort nichts mehr wachsen.
Der Berg Srđ sieht völlig kahl aus, als wolle dort nichts mehr wachsen.
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Verstehe ich nicht.
Laut dieser Übelkrähe kann das nicht sein:
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Sonntag, 07. September 2014, 10:54 (vor 3903 Tagen) @ Alex
Der Berg Srđ sieht völlig kahl aus, als wolle dort nichts mehr wachsen.
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Verstehe ich nicht.
Laut dieser Übelkrähe kann das nicht sein:
Auf dem Srđ starben keine Märtyrer - von dort schossen Ungläubige auf Ungläubige. Der eklatante Beweis, dass nur Märtyrerblut Fruchtbarkeit erzeugt, in der Natur wie bei den Menschen. Am besten, man säuft es.
Geschichten aus dem Paradies
Divara , Montag, 08. September 2014, 09:27 (vor 3902 Tagen) @ Divara
Zum Schluss ein Kommentar von Slavenka Drakulić, einer Kroatin, die den Kriegsverbrecherprozess in Den Haag beobachtet und ihre Erfahrungen in dem Buch „Keiner war dabei“ festgehalten hat:
„Erst jetzt begreife ich, wie leicht es ist, mangels Tatsachen einen Krieg zu beginnen. Ein Krieg kommt nicht von nirgendwo, er wird vorbereitet. Es ist leicht die Bilder zu missbrauchen wie jene, an die ich mich erinnere, unser emotionales Gedächtnis zu missbrauchen und darauf Hass zu errichten. Denn jeder hat eine Kollektion solcher Erinnerungen, und es ist gefährlich, wenn sie die einzigen sind. Die politischen Führer haben sich dieser Bilder bemächtigt, sie mit populärer Mythologie vermischt und die Gefühle aufgestört. Es ist schwer, sich gegen Propaganda zu wehren, wenn es keine gemeinsame Geschichte mehr gibt, an die jeder glauben kann. Unter dem emotionalen Druck gibt der Verstand leicht nach. Die Geschichte, die man uns beigebracht hat – und die das nicht war -, verhalf den Gefühlen zum Sieg über den Verstand.“
„Es wäre wohl übertrieben, einen Staat vom Territorium des einstigen Jugoslawien mit Nazi-Deutschland zu vergleichen. Doch gibt es ein Element, wo dieser Vergleich möglich ist, und das ist die Konstruktion des „anderen“ als Hassobjekt. (...) Noch besser ist es, wenn die Mythen und Vorurteile in der Wirklichkeit wurzeln, in der Geschichte früherer Kriege oder in kulturellen und religiösen Unterschieden.(...) Die Propaganda hat die Aufgabe, diese Unterschiede zu formulieren, so dass sie ein Gefühl der Bedrohung von der anderen Seite erwecken und Homogenisierung befördern.“
Der serbische Präsident Slobodan Milošević starb in Den Haag während seines Kriegsverbrechersprozesses.
Der montenegrinische Präsident Milo Đukanović reiste später nach Dubrovnik und bat die Bevölkerung um Verzeihung. Er habe geglaubt, für den Erhalt des Föderativen Jugoslawien zu kämpfen.
Kriegsverbrecher, die eher mit Bosnien als mit Kroatien in Verbindung stehen, leben bequem in Den Haag und verschleppen mit absurden Spielchen ihren Prozess:
Radovan Karadžić und Ratko Mladić.
Eine einzige gab ihre Schuld zu: Biljana Plavšić, ehemalige Lehrerin.
Lange bevor es zum Krieg kam, schrieb der Jugoslawienkenner Klaus Liebe sinngemäß: Jugoslawien ist Europa im Kleinen. Wenn dieses Projekt scheitert, dann scheitert auch Europa.
Es sieht fast aus, als könnte er Recht behalten.
-THE END-
Zum Schluss ein Kommentar von Slavenka Drakulić, einer Kroatin, die den Kriegsverbrecherprozess in Den Haag beobachtet und ihre Erfahrungen in dem Buch „Keiner war dabei“ festgehalten hat:
Lange bevor es zum Krieg kam, schrieb der Jugoslawienkenner Klaus Liebe sinngemäß: Jugoslawien ist Europa im Kleinen. Wenn dieses Projekt scheitert, dann scheitert auch Europa.
Es sieht fast aus, als könnte er Recht behalten.[/color]-THE END-
Nanu?
Soll das etwa analog bedeuten, wenn die Berliner Antifa für Deutschland im Kleinen steht (und scheitert), ist dann
die deutsche Linke gescheitert?
http://www.taz.de/Autonome-in-Berlin/!145692/
Man weiß es nicht...
Geschichten aus dem Paradies
Albert Schweizer, Mittwoch, 10. September 2014, 01:02 (vor 3900 Tagen) @ Alex
Zum Schluss ein Kommentar von Slavenka Drakulić, einer Kroatin, die den Kriegsverbrecherprozess in Den Haag beobachtet und ihre Erfahrungen in dem Buch „Keiner war dabei“ festgehalten hat:
Lange bevor es zum Krieg kam, schrieb der Jugoslawienkenner Klaus Liebe sinngemäß: Jugoslawien ist Europa im Kleinen. Wenn dieses Projekt scheitert, dann scheitert auch Europa.
Es sieht fast aus, als könnte er Recht behalten.[/color]-THE END-
Nanu?
Soll das etwa analog bedeuten, wenn die Berliner Antifa für Deutschland im Kleinen steht (und scheitert), ist dann
die deutsche Linke gescheitert?http://www.taz.de/Autonome-in-Berlin/!145692/
Man weiß es nicht...
Verschrei es nicht. Die lächerliche Fehde zwischen den baugleichen «Nationalsozialisten» (NPD) und «Nationalen Sozialisten» (SED / PDS / Die Linke) bot immer wieder Ziel von Spott und Hohn. Diese Peifen.
Wenn beide verschwänden, schreite auf jeden Fall kein Hahn danach.
PS.: youtube will Köpfervideos löschen. Und das ist gut so. Es sollte aber wenn möglich all die deutschen Kriegs- und Wende -Losers, die ungefragt in schlecht gemachten Videos auftreten, ebenfalls in den Lokus kippen.