Die Frankfurter Erklärung von 2015 / Replik

Schlemiel, Donnerstag, 08. Januar 2015, 17:08 (vor 3779 Tagen) @ Schlemiel

»Die ist bestimmt nicht Charlie

Den Namen des Satiremagazins „Titanic“ kennen viele, vor allem Journalisten. Die Titanic war mal richtig gut; damals, als sie noch den Kohl hatte und die Wiedervereinigung. Heute wird sie offenbar kaum mehr gelesen. Anders erschließt sich nicht, warum deutsche Medien gestern behaupteten, „inhaltlich“ sei „Charlie Hebdo der Titanic vergleichbar“. Hä? Charlie ist (oder war) eine Schnellfeuerkanone des anarchischen Brachialhumors, die wahrhaftig vor nichts zurückschreckt. Die Titanic wirkt dagegen wie eine mit kleinkalibrigem Ulk armierte Schwester von Gremlizas Klugscheißerkurier „Konkret“.

Die Frankfurter watschen jahraus, jahrein routiniert die immerselben, in linken Milieus handelsüblichen Zielgruppen und Personen ab. Union, FDP, Bildzeitung, die doofen Amis, die spießigen Deutschen, neuerdings die noch spießigere AfD; MerkelGabrielSeehofer usw., usf. Als eiserne Gag-Reserve führt der mutige Titanic-Redakteur stets einen Katholenböller im Scherztornister mit. Den Papst als bepissten Tattergreis aufs Cover zu stellen, bildete vor einiger Zeit den Höhepunkt der Gratiscourage. So etwas trägt den Satireerzeugern zwar keine Massaker, aber schon mal eine Unterlassungserklärung ein, welche sie für ein Weilchen im Gespräch hält.

Der Spaß hört beim Islam allerdings auf. Mit dessen zuweilen ja nicht unkomischen Erscheinungsformen oder mit „Islamkritik“ oder gar mit Mohammed-Anmache haben die Religionsverächter auf der Titanic wenig am Griffel. Stattdessen stänkern sie gern gegen den - im Gegensatz zur Titanic - ziemlich erfolgreichen Kabarettisten Dieter Nuhr. Der spottet als beinahe Einziger seiner Zunft regelmäßig auch über gewisse Ausübungen der Religion des Friedens.

Um ihre Ahnungslosigkeit über die Titanic unter Beweis zu stellen, riefen gestern diverse Blätter und Sender bei den Frankfurter Spaßgesellen an. Ob diese sich jetzt auch in Gefahr fühlten, wollte man wissen. Was sehr lustig war, denn ebenso gut hätte man einen Hartz IV-Empfänger fragen können, ob er sich von den neuen Gesetzen gegen Geldwäsche bedroht fühlt. Oder einen Menschen ohne Führerschein dazu interviewen können, wie empfindlich ihn die PKW-Maut treffen wird.

Der Titanic-Chefredakteur, die unverhoffte Aufmerksamkeit nutzend, machte sich kerzengerade. Dem Branchendienst „Meedia“ verriet er zum Beispiel, „keine Angst“ zu haben. Im Gegenteil, man wolle dem Wahnsinn die Stirn bieten: „Ich möchte, dass sich unsere Haltung nicht ändert, dass wir Relevantes und Witziges in Beiträge fassen und dabei wie bisher standhaft bleiben.“ Das hörte sich derart sperrholzdämlich an, dass man es fast für gelungene Satire hätte halten können.

Aber der heutigen Titanic eine solche zu unterstellen, ist möglicherweise denn doch ein bisschen abwegig.

Wolfgang Röhl, die Achse des Guten»


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