Gender-Thema: Sozialisierte Männer

Oblomov, Donnerstag, 11. Februar 2016, 06:59 (vor 3379 Tagen)

Cora Stephan schrieb zum Sylvester-in Köln-Vorfall einen niedlichen Aufsatz, der (u.a.) bei "achgut" unter dem Titel:
"Der postheroische Mann ....."
zu lesen ist. Diesmal geht es jedoch um das Verhalten hiesig sozialisierter Männer.
Im Raum steht für Stephan die Frage: Wie (und warum) verhielt er sich im Getümmel des Kölner Sexismus und Raubes.


http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/der_postheroische_mann_und_andere_...

Die These, dem Mann sei die BeschützerRolle abgewöhnt worden, kann ihre Argumentation m.E. nicht verfestigen,
denn schon die Prämissen schließen die wahrscheinlichste Verhaltensweise aus, nämlich die archaischste.
Deshalb ist auch die Frage müßig, hätten die Männer die attackierten Frauen verteidigt, weil doch bekannt ist, dass in erster Linie Frauen überfallen wurden, die ohne männliche Begleitung waren. Dass einfach gestrickte Nord-Afrikaner ihnen vertraute Herrschaftsverhältnisse auch in der Fremde anerkennen ( so zB wenn eine Frau einem Mann zuzuordnen ist, ein Paar ), ist eher wahrscheinlich.

Klar, die Formen der Auseinandersetzung haben sich - zum Glück - in den letzten hundert Jahren weitestgehend in eine 'nur-verbale" gewandelt. Dennoch:
Ist es vorstellbar, dass wir (m) in Begleitung weiblicher Wesen angesichts der Übermacht uns auf die Stufen der Domplatte setzen, in Ruhe eine Zigarette drehen und zuschauen, wie sich alles entwickelt, wie die Begleitung betoucht und ausgeraubt wird? Als hätten wir damit nichts zu tun.

Ich denke, nein!
soviel Urinstinkt und Verhalten ist immernoch vorhanden, selbst wenn unsere Begleiterin nur eine ungeliebte Kollegin oder Bekannte oder sogar männlich ist. Man verbindet das "Schicksal" mit der / dem Hauptbetroffenen. Und verteidigt ( im Rahmen der individuellen Möglichkeiten ). Zumindest würde man versuchen, die resp. den Hauptbetroffenen aus der Schußlinie zu ziehen.
In Krisensituationen fallen wir zurück ins Archaische. Da läuft auch für Pazifisten ( und für Untrainierte ) die Grundprogrammierung. Sicherlich auch zu bezeichnen als 'Verantwortung für Sippenmitglieder'. ( Welche in diesem Moment auch jener sein kann, mit dem man nur einmal Blickkontakt hatte und der nicht einmal signalisieren muß: 'Help me !"

Natürlich sind wir (v)erzogen durch die Frauenbewegung.
Aber das ist vielleicht alles nur Fassade oder Show; in Wirklichkeit bleiben wir doch die alten Macker,
die allerhand Risiken eingehen würden, um Hilflosen beizustehen - gerade wenn es um Frauen geht.

Die Übermacht erfordert Verstärkung, deshalb erwarten wir Solidarität auch von unseren Stellvertretern, den Bullen und den 'arglosen' Passanten, die Sorge tragen sollten, dass unsere Lieben ( und auch die weniger lieben ) gut und unbehelligt ihr Heim erreichen. Die "Stellvertreter" sind ihrer Rolle nicht gerecht geworden. Sie haben ihre Arbeit verweigert; aus meiner Sicht sogar als "unterlassene Hilfeleistung" zu werten.

Ich glaube nicht, dass an dieser Grundeinstellung - in Not zu helfen - sich in den letzten hundert Jahren irgendetwas verändert hat. Wenn die 'Ordnungsmacht' sich verweigert, dürfte es spannender sein, dieses Phänomen zu untersuchen ( und nicht nur zu fragen, was die jungen Begleiter getan hätten, wenn sie als Begleiter vorOrt gewesen wären ).

Frau Stephan kritisiert einen "Fortschritt" der Weicheier-Sozialisierung, der m.E. in der Tiefe gar nicht stattgefunden hat.
Womit ich nicht behaupten wollte, die Frauenbewegung habe keine Neuerungen gebracht. Doch, ganz viele sogar.
Nur nicht in dem Fall.
Hier waren die ( armierten ) Beamten die 'Weicheier', die sich ob der Übermacht nicht einzugreifen trauten.
Sie hätten wenigstens die Freiheitsberaubten jungen Frauen befreien, d.h. aus der Menge herausholen können.
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Divara @, Donnerstag, 11. Februar 2016, 10:29 (vor 3379 Tagen) @ Oblomov

Monsieur Oblomov,

ich bin nicht in geistiger Hochform, aber ich versuche doch einen Kommentar. Ich meine, dieser Reflex zu helfen, wenn jemand das Opfer von Gewalt wird, steckt eigentlich in jedem nicht verbogenen Menschen, ob Mann oder Frau. Stünde ich in der Nähe eines potentiellen Opfers, könnte es sein, dass ich unter völliger Überschätzung meiner Kräfte dazwischen gehe. (Oder hoffentlich 110 wähle).

Ich bin einmal fast das Opfer einer Vergewaltigung geworden. Wir waren zwei Frauen in einem Wald; der Mann packte mich und meine Freundin rannte weg. Nach ein paar Metern kam sie zur Besinnung, kehrte um, und da sie zum Glück ein dickeres Buch dabei hatte, schlug sie es dem Hochnotgepeinigten so oft auf den Kopf, bis der begriff, das klappt nicht und im Wald verschand.

Das Problem von Köln liegt meiner Meinung nach anders. Als ich klein war, schärfte mir meine Mutter ein: wenn du mal Hilfe brauchst, sprich keinen Fremden an. Wende dich an einen Polizisten, die erkennst du. Oder an jemand anderes in Uniform (gemeint war wohl ein Soldat).
Können Sie sich vorstellen, dass eine "aufgeklärte" Mutter des Jahres 2016 ihrem Kind das sagt?
Alle Uniformträger müssen sich für ihre Existenz entschuldigen. Stellen sie sich vor, einer der anwesenden Polizisten in Köln hätte einem Kulturbereicherer mit dem Gummiknüppel das Gesicht zermatscht. Bis heute würde niemand über die Attacken auf die Frauen reden, sondern von der brutalen deutschen Polizei, die nur bei Ausländern so hart zuschlägt. Der Polizist stünde vor Gericht und würde mit Sicherheit aus dem Außendienst abgezogen.

Glauben Sie, dass das keine Wirkung auf deren Verhalten hat? Kann ein Polizist in dieser Situation davon ausgehen, dass sein Vorgesetzter ihn deckt? Aus der Perspektive des Lehrers (es gibt da ein paar Berührungspunkte) kann ich sagen: in 90% der Fälle nicht.

Da läuft also etwas schief, und im Moment bin ich nicht in der Lage zu beschreiben, was das ist. Wahrscheinlich ist diese Situation auch noch gar nicht wirklich zu deuten, weil wir mittendrin stecken. Ich verweise aber wieder auf die Aachener Schule, die einen Friedenspreis bekam, weil sie es Bundeswehrsoldaten verboten hat, ihr Terrain zu betreten.
Und als Ergänzung lesen Sie die Geschichte von Manfred Oberdörffer auf meiner Webseite. Das was mit unserem Thema zu tun hat, kommt erst am Schluss, aber auch der Rest ist interessant.
Es grüßt
Mme Divara Corbeau.

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The Editrix ⌂ @, Donnerstag, 11. Februar 2016, 11:47 (vor 3379 Tagen) @ Divara

100% d'accord Madame Corbeau!

Ich habe mal ein indisches Mädchen in ihrer Landestracht vor einem alten, besoffenen BIODEUTSCHEN beschützt. Das ging bis zum Angrabschen. In dem Bus hat sich sonst keine alte Sau darum gekümmert, nicht mal hingekuckt. Daraufhin hat er sich dann mir zugewandt. Gut so! Er fand es nicht nett, dass ich ihn "besoffenes Schwein" genannt hatte. Ich habe ihm dann als Alternative "besoffene Sau" angeboten. Dann kam auch bald die Haltestelle, an der ich und das Mädchen ausstiegen.

Ich denke, viel haben wir den aufgeklärten Müttern zu verdanken. "Ach lass doch dem anderen Kind dein Schüppchen", wenn Leonhard-Thorsten dem anderen Kind lieber 'was damit übergebraten hätte.

Aus Erzählungen weiß ich, dass sich meine Onkel alle geschlagen haben. Das war halt auf dem Land so. Als die Nazis aufkamen, brauchte mein Großvater väterlicherseits, obwohl Bergmann ein körperlich zierlicher, listiger kleiner Mann, den Nazis, nachdem er frech gewesen war, nur zu sagen: "Ich pfeif den Jungens!" (Meine Onkel waren beide Schmiede.) Dann war Ruhe. Heute würde so ein alter Mann totgetreten und die Täter bekämen 100 Sozialstunden.

Nee, früher war mir lieber.

--
ODERINT DUM METUANT
(Caligula)

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Oblomow, Sonntag, 14. Februar 2016, 05:53 (vor 3376 Tagen) @ Divara

Monsieur Oblomov,

ich bin nicht in geistiger Hochform, aber ........

Das merkt man Ihrem Beitrag nicht an, Mme Corbeau!
(( ich hoffe, meinem auch nicht. ))

Dem ist natürlich zuzustimmen, nur........
Das Fehlverhalten der Polizisten ( u.Bundespolizisten) kann man auch sehr wohl als bewußte Provokation erachten. In unübersichtlichen, tumultartigen "Gemengelagen" mag man sich wegen der Übermacht nicht trauen einzugreifen und einzelne, vermeintliche Straftäter festzunehmen. Aber welche Gegenwehr hätte es hervorbringen sollen, wenn kleine Gruppen von vier, fünf Beamten durch die Menge sich den Weg bahnen, um 'verletzte', belästigte Frauen zu bergen? ( Hilfsweise hätte man sich noch von der Feuerwehr unterstützen lassen können.)
Ich sehe das Verhalten der Polizisten als Affront, als bewußte Provokation. Natürlich, ... die Ohnmacht wegen der Übermacht war ihnen klar geworden, das Risiko verletzt zu werden, ebenso.
Liegt da nicht die Verdächtigung nah', sie mögen gedacht haben: Selbstschuld! Die Bürger haben die Geister gerufen, nun mögen sie sehen, wie sie mit ihnen zurechtkommen. Hinzu kommen noch Stellenstreichungen in den letzten Jahrzehnten und das - von Ihnen, Divara, genannte - vermeintliche Empfinden, ein undankbarer Job. 'Dafür reißen wir uns kein Bein aus.'

..............

Mme Corbeau, habe ich was versäumt?
Die Übersetzung bekomme ich gerade noch hin, sie hilft mir aber nicht wirklich weiter.
Welches Geheimnis verbirgt sich dahinter, dass Sie uns nunmehr ihren werten Nachnamen verraten?

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The Editrix ⌂ @, Sonntag, 14. Februar 2016, 10:29 (vor 3376 Tagen) @ Oblomow

Mme Divara wollte hierauf anspielen, lieber Sir Oblomow. Sie bekennt damit, dass sie auf Schmeichelei hereingefallen ist:

Maître Corbeau, sur un arbre perché,
Tenait en son bec un fromage.
Maître Renard, par l'odeur alléché,
Lui tint à peu près ce langage :
"Hé ! bonjour, Monsieur du Corbeau.
Que vous êtes joli ! que vous me semblez beau !
Sans mentir, si votre ramage
Se rapporte à votre plumage,
Vous êtes le Phénix des hôtes de ces bois."
A ces mots le Corbeau ne se sent pas de joie ;
Et pour montrer sa belle voix,
Il ouvre un large bec, laisse tomber sa proie.
Le Renard s'en saisit, et dit : "Mon bon Monsieur,
Apprenez que tout flatteur
Vit aux dépens de celui qui l'écoute :
Cette leçon vaut bien un fromage, sans doute. "
Le Corbeau, honteux et confus,
Jura, mais un peu tard, qu'on ne l'y prendrait plus.

Herr Rabe auf dem Baume hockt,
Im Schnabel einen Käs
Herr Fuchs, vom Dufte angelockt,
Ruft seinem Witz gemäß:
»Ah, Herr Baron von Rabe,
Wie hübsch Ihr seid, wie stolz Ihr seid!
Entspricht auch des Gesanges Gabe
Dem schönen schwarzen Feierkleid,
Seid Ihr der Phönix-Vogel unter allen!«
Der Rabe hört's mit höchstem Wohlgefallen,
Läßt gleich auch seine schöne Stimme schallen.
Da rollt aus dem Rabenschnabel der Fraß
Dem Fuchs ins Maul, der unten saß.
Der lachte: »Dank für die Bescherung!
Von mir nimm dafür die Belehrung:
Ein Schmeichler lebt von dem, der auf ihn hört.
Die Lehre ist gewiß den Käse wert.«
Der Rabe saß verdutzt und schwor:
Das käm ihm nicht noch einmal vor.

Jean de La Fontaine, 1621-1695

--
ODERINT DUM METUANT
(Caligula)

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Oblomov, Montag, 15. Februar 2016, 08:37 (vor 3375 Tagen) @ The Editrix

Le Corbeau.


Jean de La Fontaine, 1621-1695

Vielen Dank für die Aufklärung, Kollegin Editrix, ich wäre nicht darauf gekommen. Und dachte schon - wegen der angedeuteten Dramatik - Mme Divara meine die stets schwarz gekleidete und deshalb 'Le Corbeau' genannte Marguerite Pitre.
M. Pitre wurde wegen 23fachen Mordes 1953 in Canada zum Tode verurteilt. Sie war die 13. und damit letzte Frau, die in Canada durch den Strang starb.

Man glaubt sich im 17.Jahrhundert, liest man O-Ton der Executionsbeschreibung:

"Marguerite Pitre arrived at Bordeaux Prison in Montreal at midnight on 8/9 January 1953, accompanied by two nuns, and climbed to the prison's third floor. After a few moments with her escorts, she entered the ante-room where the hangman was waiting for her. She walked to the gallows at 12:35 a.m. on 9 January 1953, and was pronounced dead 15 minutes later. Jail authorities said she displayed no fear and that "everything was normal."
a.a.O. https://en.wikipedia.org/wiki/Madame_le_Corbeau

.

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The Editrix ⌂ @, Montag, 15. Februar 2016, 09:54 (vor 3375 Tagen) @ Oblomov

Danke, dass Sie mir den Tag versaut haben, lieber Sir Oblomov. :-|

Die letzte Frau wurde in England sogar erst 1955 hingerichtet. Sie hatte ihren "Lover" ermordet. Bei uns durfte Ingrid van Bergen deswegen in Talkshows auftreten. (Das soll keine Billigung der Todesstrafe bedeuten.) Die letzten Männer wurden 1964 hingerichtet. Für einige Straftaten (z.B. Hochverrat) galt die Todesstrafe dort bis 1998.

Amerika lass ich mal aus Respekt für unseren Gastgeber weg.

Diese Menschen werden nicht mit dem Tod bestraft, sondern mit der Angst vor dem Tod. Sterben müssen wir alle, aber niemand, auch nicht der Todkranke, weiß genau wann. Niemand darf einem Menschen das Leben nehmen, und was ein Mensch nicht darf, darf ein Staat auch nicht.

Die Todesstrafe galt noch zu meinen Lebzeiten in Europa, und als ich geboren wurde, war es noch lange keine 100 Jahre her, dass in einem zivilisierten Land Menschen ganz offiziell wie Vieh oder Möbel gehandelt werden durften. Wenn ich mir das bewusst mache (ich versuche, es möglichst selten zu tun), verzweifle ich an der Welt.

Ich bin übrigens sicher, dass auch bei uns ohne die Erfahrung der 1000 Jahre die Todesstrafe auch nach dem Krieg noch lange gegolten hätte. Erinnern Sie sich noch? Wir hatten mal einen Justizminister namens Jaeger, liebevoll "Kopf-ab-Jäger" genannt, der sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe für Mord einsetzte. Allerdings auch für die Begnadigung aller zum Tode verurteilten NS-Kriegsverbrecher. Was für ein Scheiß-Land wir sind.

--
ODERINT DUM METUANT
(Caligula)

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Alex @, Montag, 15. Februar 2016, 11:28 (vor 3375 Tagen) @ The Editrix

Danke, dass Sie mir den Tag versaut haben, lieber Sir Oblomov. :-|

Die letzte Frau wurde in England sogar erst 1955 hingerichtet. Sie hatte ihren "Lover" ermordet. Bei uns durfte Ingrid van Bergen deswegen in Talkshows auftreten. (Das soll keine Billigung der Todesstrafe bedeuten.) Die letzten Männer wurden 1964 hingerichtet. Für einige Straftaten (z.B. Hochverrat) galt die Todesstrafe dort bis 1998.

Amerika lass ich mal aus Respekt für unseren Gastgeber weg.

Das musst Du nicht.
Das amerikanski war nie als Forum für Lobhudelei gegenüber den USA gedacht, es sollte nur kein Platz sein für den hierzulande üblichen Antiamerikanismus.
Und das ist verdammt nötig, wie Du weißt.

Ansonsten gilt für mich, jenseits aller bellizistischen Attitüde, die Todesstrafe als absolut indiskutabel.
Auch wenn ich in einem Bundesland lebe, in dem es die Todesstrafe pro forma noch gibt, ist deren Abwesenheit irl ein zivilisatorischer Standard, den es nie wieder zu unterschreiten gilt.
Und sie ist ein Stachel in meiner ansonsten pro nordamerikanischen Haltung, dem ich gerne ausweiche...
Allerdings ist in den USA die Diskussion darüber nach wie vor in vollem Gange, in vielen Bundesstaaten ist sie außer Kraft gesetzt und in vielen wird sie nicht mehr ausgeführt.
Das Strafsystem in den USA ist außerdem unglaublich rückständig und ungerecht und dringend reformbedürftig.
Wie hier übrigens auch...
Aber das weiß man in den USA und der gesellschaftliche Diskurs darüber findet statt. Es ist leider ein verdammt dickes Brett, das nicht nur dort gebohrt werden muss, unsere justizielle Klasse ist auch zu oft zu einer fragwürdigen Pos(s)e bereit.

Diese Menschen werden nicht mit dem Tod bestraft, sondern mit der Angst vor dem Tod. Sterben müssen wir alle, aber niemand, auch nicht der Todkranke, weiß genau wann. Niemand darf einem Menschen das Leben nehmen, und was ein Mensch nicht darf, darf ein Staat auch nicht.

So isses.

Die Todesstrafe galt noch zu meinen Lebzeiten in Europa, und als ich geboren wurde, war es noch lange keine 100 Jahre her, dass in einem zivilisierten Land Menschen ganz offiziell wie Vieh oder Möbel gehandelt werden durften. Wenn ich mir das bewusst mache (ich versuche, es möglichst selten zu tun), verzweifle ich an der Welt.

Sklaverei findest Du auch heute noch in den arabischen Ländern , die auch die professionell agierenden Beschaffer der Sklaven waren, die in Süd- und im Süden von Nordamerika gehandelt wurden.
Und in den feudalen Strukturen in Europa und vor allem in Russland hatte man die eigene Bevölkerung weitgehend versklavt. Auch nicht schön...
Das war auch noch lange der Status Quo im Zarenreich, nachdem die angelsächsischen Länder Schluss damit machten. Nach einer offenen Auseinandersetzung, sowohl politisch als auch militärisch.

Ich bin übrigens sicher, dass auch bei uns ohne die Erfahrung der 1000 Jahre die Todesstrafe auch nach dem Krieg noch lange gegolten hätte. Erinnern Sie sich noch? Wir hatten mal einen Justizminister namens Jaeger, liebevoll "Kopf-ab-Jäger" genannt, der sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe für Mord einsetzte. Allerdings auch für die Begnadigung aller zum Tode verurteilten NS-Kriegsverbrecher. Was für ein Scheiß-Land wir sind.

Nanana. Da sind wir in guter Gesellschaft.
Allerdings ist da schon ein kleiner Widerspruch in Deiner Argumentation.
Die Beweggründe der politischen Klasse nach '45 im Zusammenhang mit der Abschaffung der Todesstrafe sind durchschaubar und verachtenswert, aber wenn man die TS zu Recht verdammt, dann hätten Keitel und Konsorten im Knast vergammeln müssen und nicht aufgehängt werden dürfen.
Aber die TS war damals ultima ratio und ich weine diesen Drecksäcken keine Träne nach.

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Jana @, Dienstag, 16. Februar 2016, 13:03 (vor 3374 Tagen) @ Alex

Alex schrieb:
" Das amerikanski war nie als Forum für Lobhudelei gegenüber den USA gedacht, es sollte nur kein Platz sein für den hierzulande üblichen Antiamerikanismus.
Und das ist verdammt nötig, wie Du weißt."

Sorry, dass ich hier reinplatze, aber ich halte es nicht mehr aus - ich meine den hier üblichen Antiamerikanismus. Ich war hier schon mal "Forling", unter dem Namen Hybride, vllt. wird sich der eine oder der andere daran erinnern, aber das ist só viele Jahre her. Schon damals fand ich die klare Aussage des URL sehr attraktiv. Ich hätte mir aber nicht träumen lassen, dass der Antiamerikanismus noch so sehr steigerungsfähig wäre, wie das heute der Fall ist. Daher bin ich wieder hier, in Ihrem / Euren Zirkel.

Zum Thema des Threads wollte ich nur sagen, dass ich Cora Stephan sehr schätze, dass ich mir aber keine Rückkehr des "heroischen" Mannes wünsche. Vielmehr schätze ich es, in einer zivilisierten Gesellschaft zu leben, in der frau keinen Macho an der Seite braucht, um unversehrt durchs Leben zu kommen. Wenn nun diese Errungenschaft bedroht ist, muss alles - möglichst im zivilisatorischen Rahmen stehende? - dafür getan werden, dass sie nicht als geschichtliche Ausnahme marginalisiert wird.
Jana

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Alex @, Dienstag, 16. Februar 2016, 16:39 (vor 3374 Tagen) @ Jana

Alex schrieb:
" Das amerikanski war nie als Forum für Lobhudelei gegenüber den USA gedacht, es sollte nur kein Platz sein für den hierzulande üblichen Antiamerikanismus.
Und das ist verdammt nötig, wie Du weißt."

Sorry, dass ich hier reinplatze, aber ich halte es nicht mehr aus - ich meine den hier üblichen Antiamerikanismus. Ich war hier schon mal "Forling", unter dem Namen Hybride, vllt. wird sich der eine oder der andere daran erinnern, aber das ist só viele Jahre her. Schon damals fand ich die klare Aussage des URL sehr attraktiv. Ich hätte mir aber nicht träumen lassen, dass der Antiamerikanismus noch so sehr steigerungsfähig wäre, wie das heute der Fall ist. Daher bin ich wieder hier, in Ihrem / Euren Zirkel.

Zum Thema des Threads wollte ich nur sagen, dass ich Cora Stephan sehr schätze, dass ich mir aber keine Rückkehr des "heroischen" Mannes wünsche. Vielmehr schätze ich es, in einer zivilisierten Gesellschaft zu leben, in der frau keinen Macho an der Seite braucht, um unversehrt durchs Leben zu kommen. Wenn nun diese Errungenschaft bedroht ist, muss alles - möglichst im zivilisatorischen Rahmen stehende? - dafür getan werden, dass sie nicht als geschichtliche Ausnahme marginalisiert wird.
Jana

Hallo Jana! Schön, von Dir wieder was zu hören!
Natürlich ist Dein alter nick noch bekannt, im Archiv findet man Dich auch noch mit reichlich Beiträgen.
Wir sind mittlerweile etwas zusammengeschrumpft, seit Deinem letzten Beitrag 2010 sind 3 "Forlinge" zu ihren Ahnen abgeritten und der Rest freut sich täglich über ein erneutes Aufwachen...:-D
Das Thema USA wird uns in den nächsten Monaten sicherlich mehr beschäftigen, die Sach' scheint spannend zu werden.
Schreibst Du als Jana weiter?

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Divara @, Dienstag, 16. Februar 2016, 18:46 (vor 3373 Tagen) @ Alex

Es ist kaum zu glauben aber wahr. Nicht, dass ich im Augenblick besondere Begeisterung für die Amerikaner hegen würde. Aber die vom SPON schon zaghaft begonnene Kampagne wird schon dafür sorgen, dass ich wieder weiß, auf welcher Seite ich stehe.

Ein wirklich guter Freund, der allerdings politisch etwas träge ist und immer sagt, was gerade so anliegt, schickte mir allen Ernstes den neusten Link mit Versprechern von Bush jun. (Wir erinnern uns: er konnte kaum lesen, privat las er nur Kinderbücher, und die englische Sprache beherrschte er nur bruchstückhaft). Aber ich fand den Link höchst interessant. Denn SPON möchte endlich wieder schön loslegen wie unter Schröders Zeiten, aber den Obama kann man als Objekt der Begierde nicht nehmen. Wenn der weiße Bushaber nur Kinderbücher liest, darf ich dann den schwarzen Obama nicht im Baströckchen malen?
Wenn Bush den Irakkrieg in den Sand gesetzt hat, ist dann der Nobelpreisträger Obama, der offensichtlich den Namen Syria für eine Käsesorte hält, ein Friedensengel?

Ok, wir werden sehen. Es kommen fröhliche Zeiten.

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Jana @, Dienstag, 16. Februar 2016, 20:47 (vor 3373 Tagen) @ Alex

Alex schrieb:
"Das Thema USA wird uns in den nächsten Monaten sicherlich mehr beschäftigen, die Sach' scheint spannend zu werden."

Hallo Alex,

spannend ... ja, so kann man das natürlich auch sehen. Ich hab aber eher Angst, dass Kandidat X die falsche Krawatte trägt, Kandidat Y "Waffen" gesagt hat oder Kandidat Z ein alter weißer Mann ist, und dass auch nur eines dieser Bäh-Attribute, mal wieder, ganz Amerika total disqualifiziert. Dabei weiß ich, dass es egal ist, wer X, Y oder Z ist; das Einzige, womit man bei den Deutschen punkten kann, ist die Ablehnung der USA - seitens des Kandidaten. Ich möchte nur daran erinnern, dass Obama (oder war es Michelle? - egal), nach seiner Wahl zum POTUS, gesagt hat, er wäre das erste Mal in seim Leben stolz darauf, ein Amerikaner zu sein. Und diese Einstellung hatte er schon die ganze Zeit vorher ausgestrahlt, weswegen er hierzulande zum Messias auserkoren wurde.

"Schreibst Du als Jana weiter?"

Hmm ... weiß auch nicht so recht. ... Okay, erstmal ja. ;-)
Jana

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The Editrix ⌂ @, Donnerstag, 18. Februar 2016, 17:31 (vor 3371 Tagen) @ Alex

Danke, dass Sie mir den Tag versaut haben, lieber Sir Oblomov. :-|

Die letzte Frau wurde in England sogar erst 1955 hingerichtet. Sie hatte ihren "Lover" ermordet. Bei uns durfte Ingrid van Bergen deswegen in Talkshows auftreten. (Das soll keine Billigung der Todesstrafe bedeuten.) Die letzten Männer wurden 1964 hingerichtet. Für einige Straftaten (z.B. Hochverrat) galt die Todesstrafe dort bis 1998.

Amerika lass ich mal aus Respekt für unseren Gastgeber weg.

Das musst Du nicht.
Das amerikanski war nie als Forum für Lobhudelei gegenüber den USA gedacht, es sollte nur kein Platz sein für den hierzulande üblichen Antiamerikanismus.
Und das ist verdammt nötig, wie Du weißt.

Ja, das weiß ich. Ich vermute, dass die derzeitige - sehr relativ - etwas freundlichere Stimmung sich geben wird, wenn der nicht-ganz-weiße Halbgott weg ist, dessen einzige Qualifikation für das Amt war, dass er eben nicht-ganz-weiß ist.

Ansonsten gilt für mich, jenseits aller bellizistischen Attitüde, die Todesstrafe als absolut indiskutabel.
Auch wenn ich in einem Bundesland lebe, in dem es die Todesstrafe pro forma noch gibt, ist deren Abwesenheit irl ein zivilisatorischer Standard, den es nie wieder zu unterschreiten gilt.
Und sie ist ein Stachel in meiner ansonsten pro nordamerikanischen Haltung, dem ich gerne ausweiche...
Allerdings ist in den USA die Diskussion darüber nach wie vor in vollem Gange, in vielen Bundesstaaten ist sie außer Kraft gesetzt und in vielen wird sie nicht mehr ausgeführt.

Was ich als besonders irritierend empfinde ist die Tatsache, dass man sofort in die "linke" Ecke gerückt wird, wenn man sich gegen die Todesstrafe ausspricht. Die Amerikaner haben schon häufig ein merkwürdiges Verständnis von dem, was "konservativ" ist oder sein sollte.

Das Strafsystem in den USA ist außerdem unglaublich rückständig und ungerecht und dringend reformbedürftig.
Wie hier übrigens auch...
Aber das weiß man in den USA und der gesellschaftliche Diskurs darüber findet statt. Es ist leider ein verdammt dickes Brett, das nicht nur dort gebohrt werden muss, unsere justizielle Klasse ist auch zu oft zu einer fragwürdigen Pos(s)e bereit.

Diese Menschen werden nicht mit dem Tod bestraft, sondern mit der Angst vor dem Tod. Sterben müssen wir alle, aber niemand, auch nicht der Todkranke, weiß genau wann. Niemand darf einem Menschen das Leben nehmen, und was ein Mensch nicht darf, darf ein Staat auch nicht.

So isses.

Die Todesstrafe galt noch zu meinen Lebzeiten in Europa, und als ich geboren wurde, war es noch lange keine 100 Jahre her, dass in einem zivilisierten Land Menschen ganz offiziell wie Vieh oder Möbel gehandelt werden durften. Wenn ich mir das bewusst mache (ich versuche, es möglichst selten zu tun), verzweifle ich an der Welt.

Sklaverei findest Du auch heute noch in den arabischen Ländern , die auch die professionell agierenden Beschaffer der Sklaven waren, die in Süd- und im Süden von Nordamerika gehandelt wurden.

Das weiß ich. Und ohne den muslimischen Sklavenhandel wäre die Sklaverei in Amerika nicht möglich gewesen oder nur in viel kleinerem Ausmaß.

Und in den feudalen Strukturen in Europa und vor allem in Russland hatte man die eigene Bevölkerung weitgehend versklavt. Auch nicht schön...
Das war auch noch lange der Status Quo im Zarenreich, nachdem die angelsächsischen Länder Schluss damit machten. Nach einer offenen Auseinandersetzung, sowohl politisch als auch militärisch.

Ich bin übrigens sicher, dass auch bei uns ohne die Erfahrung der 1000 Jahre die Todesstrafe auch nach dem Krieg noch lange gegolten hätte. Erinnern Sie sich noch? Wir hatten mal einen Justizminister namens Jaeger, liebevoll "Kopf-ab-Jäger" genannt, der sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe für Mord einsetzte. Allerdings auch für die Begnadigung aller zum Tode verurteilten NS-Kriegsverbrecher. Was für ein Scheiß-Land wir sind.


Nanana. Da sind wir in guter Gesellschaft.

Ja, aber ich fege am liebsten vor MEINER Tür.

Allerdings ist da schon ein kleiner Widerspruch in Deiner Argumentation.
Die Beweggründe der politischen Klasse nach '45 im Zusammenhang mit der Abschaffung der Todesstrafe sind durchschaubar und verachtenswert, aber wenn man die TS zu Recht verdammt, dann hätten Keitel und Konsorten im Knast vergammeln müssen und nicht aufgehängt werden dürfen.

Ich habe an keinem Punkt pro-Todesstrafe für Keitel und Konsorten argumentiert.

Aber die TS war damals ultima ratio und ich weine diesen Drecksäcken keine Träne nach.

Deutschland war damals zu diskreditiert, um die Nürnberger Prozesse in deutsche Hände legen zu zu können. Die Alliierten haben so entschieden, und ich weine den Drecksäcken auch keine Träne nach.

Und wie es scheint, war das auch eine richtige Entscheidung angesichts dessen, was dann unter deutscher Ägide passiert ist:
http://editrixblog.blogspot.de/2016/02/the-uneasy-remembrance-of-fritz-bauer.html

--
ODERINT DUM METUANT
(Caligula)

Gender-Thema: Sozialisierte Männer

Oblomow, Mittwoch, 17. Februar 2016, 08:21 (vor 3373 Tagen) @ The Editrix


{.....} Wenn ich mir das bewusst mache (ich versuche, es möglichst selten zu tun), verzweifle ich an der Welt.

Ich bin übrigens sicher, dass auch bei uns ohne die Erfahrung der 1000 Jahre die Todesstrafe auch nach dem Krieg noch lange gegolten hätte. Erinnern Sie sich noch? Wir hatten mal einen Justizminister namens Jaeger, liebevoll "Kopf-ab-Jäger" genannt, der sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe für Mord einsetzte. Allerdings auch für die Begnadigung aller zum Tode verurteilten NS-Kriegsverbrecher. Was für ein Scheiß-Land wir sind.

Ich wollte Ihnen nicht den Tag verderben, Kollegin Editrix, ich versuche es noch einmal, behutsamer.......

die Todesstrafe ist in der BRD anfang der 1950er ( 51/52 ? ) abgeschafft worden.
Welchen zeitnahen historischen Vorlauf hatte der Beschluss?
1945/46 waren im IMT/ Nürnberg ein Dutzend Regierungsmitglieder des NS-Staates zum Tode verurteilt worden,
namhafte waren noch auf der Flucht. Waren zum großen Teil über die Rattenlinie nach Südamerika gelangt.
Einen Anfangsverdacht und mehr oder minder weit fortgeschrittene Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen ( und(oder Mord ) gab es in mehr als 7o.ooo Fällen, zumeist SS-Mitglieder !

Vielleicht war es auch politisch opportun, die Todesstrafe fallen zu lassen, um nicht Massenhinrichtungen erleben zu müssen. Immerhin gab es ein erstarken der ultra-rechten Parteien; in Teilen der Bevölkerung wurde die Urteile des IMT als unrecht angesehen, viele bezweifelten schon die Zuständigkeit des internationalen Tribunals.

"Man" wollte doch ruhe haben. Klar, die Moral forderte die Verfolgung der Verbrechen.

Das Problem wurde überschätzt. Denn eigentlich konnte schon 1946 gesehen werden, dass die Verteidigung den Befehlsnotstand vorbrachte ( und vom Gericht zu würdigen war), und man hätte "dieses Ausmaß" ( Hermann Göring ) "nie geahnt, geschweige gewußt" Wenn schon die Großen ( der Partei ) sich auf die alleinige Schuld des Führers beriefen, mußte klar sein, dass die unteren Chargen das um so eher nutzen können. (( Nicht dass diese Exculpation vollständig entlastend wirkte, aber doch das Urteil der Todesstrafe eher unwahrscheinlich erscheinen ließ.)
Auch deshalb lieferten einige Ostblockstaaten deutsche Übeltäter ungern aus, sondern executierten selbst.

Halten wir fest: Die Bemühungen der Täter habhaft zu werden, waren in den 1950ern eher gering.
Das Volk kümmerte sich um den Wiederaufbau; man wollte vergessen. Nicht wenige saßen wieder auf höheren Posten, da stört das Gerede über Leichen im Keller um so mehr.

Kommen wir zu 'Kopf-ab-Jaeger' ..........
Jaeger betritt die Regierungsbühne ( Justizminister ) im Herbst 1965 ( war nicht Ludwig Ehrhardt Kanzler ? ).....
vor welchem Hintergrund ?
1961 fand in Jerusalem der Eichmann -Prozess statt. Er war in Argentina vom Mossad gekidnapt. ( Die Tipp kam von Fritz Bauer, dem Generalstaatsanwalt in Ffm., der der eigenen Behörde wegen möglicher Lecks nicht trauen konnte.) Eichmann wurde in Israel zum Tode verurteilt.

Eile war geboten, ......... Wenn noch einer in der BRD wegen mehrfachen Mordes hinter Gitter gebracht werden sollte, mußte es nun auch geschehen. Denn es galt das aus dem 19.Jahrhndert stammende Verjährungsrecht für Mord, nämlich 20 Jahre. ( andere schwere Straftaten ( bewehrt mit 10 und 15 Jahren ) waren eh durch Fristüberschreitung nicht mehr anklagbar.)

1963 bis 1965 fand der Auschwitz-Prozess statt. Angeklagt waren rund 10 Funktionsträger, wovon Mulka wohl der bekannteste war/ist. Die Besonderheit dieses Verfahrens war ein VorOrt-Termin in Auschwitz, damit sich das Gericht ein Bild machen konnte. So ziemlich Alle berichteten, nach der Führung durch das Lager habe sich die emotionale Lage verändert, da das Grauen anhand von Aussagen und Filmen allein nicht fassbar sei. ( Polen hatte zu dieser Zeit noch keine diplomatischen Beziehungen zur BRD.)
Mulka - wenn ich es richtig erinnere - wurde als einziger zu lebenslanger Haft ( und Aberkennung der Bürgerrechte ) verurteilt, die anderen kamen mit Haftstrafen zwischen 5 und 20 Jahren ( ohne Obligo ) davon. ( Es wurden weniger als 10 Menschen verurteilt ( ? ).
Man höre sich bitte das Plädoyer der Verteidigers Laternser an, der damalige StarAnwalt verteidigte u.a. einen Auschwitz-Arzt ...... unglaublich.
Startet bei çirca 34 Minuten, bitte vorspulen:
https://www.youtube.com/watch?v=g4ECSiQ28_Y


Man hatte die Verjährungsfrist nicht an den Zeitpunkt der Tat ( hier Mord ) gekoppelt, sondern am Untergang des Reiches im Mai 1945. Die Begründung für diese Abweichung in der Festlegung des Tatzeitpunktes ist eingängig: Während des nationalsozialistischen Regime waren "normale" Strafverfolgungen ( die auch - aber nicht nur - im Namen des Staates begangen wurden ) ex definitione nicht möglich.
( Feinheiten, wie die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgerichtes, lasse ich mal weg.)

Trotz langer Debatten, ob die Verjährungsfrist auf 25 Jahre verfassungsgerecht zu verlängern sei ( klar geht ), konnte/ wollte man sich nicht einigen. Endlich kam ein kluger Abgeordneter auf die ( rechtlich durchaus strittige ) Idee, nicht ab 1945 beginne die Verjährung, sondern starte erst bei Gründung der Bundesrepublik, ergo 1949. So wurde schließlich verfahren. Rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist, wurde im März/April 1965 entschieden: Die im Nationalsozialismus geschehen Mordtaten verjähren 1969.
Vier Jahre gewonnen, um Verbrechen abzuurteilen...........

Sechs Monate später im Oktober 1965 kommt der Ultra-Konservative ( Eintritt in die SA 1933 ) Jurist Jaeger als Justizminister auf die Bühne. Die Verlängerung ist leider im alten Kabinett bereits gelaufen. Die Kuh noch nicht vom Eis, denn es schlummern noch Altlasten im Keller. Was liegt da näher, als das Thema in eine andere Richtung zu ziehen um abzulenken. Weder die Liberalen noch die Konservativen und auch nicht dieSPD sind dafür zu haben. Jeder hat seine Erfahrung.
Jaeger wird nicht lange im Amt sein.

Im Jahre 1969 wird die Verjährungsfrist für Mord auf 30 Jahre festgesetzt.
1979 wurde die Verjährung von Mord aufgehoben. Kurz: Mord unterliegt nicht mehr der Verjährung.

.

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Gender-Thema: Sozialisierte Männer

The Editrix ⌂ @, Donnerstag, 18. Februar 2016, 17:16 (vor 3371 Tagen) @ Oblomow

Vielen Dank für den kenntnisreichen Überblick Sir Oblomow!

Ich habe nur wenig hinzuzufügen, zumal dieses Thema mich emotional sehr belastet.

Das hier ist von 2009. Ich weiß nicht, ob oder was an der EU-Gesetzgebung inzwischen geändert wurde, aber interessant ist es allemal:
http://www.nordbayern.de/die-eu-offnet-der-todesstrafe-eine-hinterture-1.570979

Es spricht einiges dafür, dass Fritz Bauer ermordet wurde. Die alten Nazi-Seilschaften hatten damals noch viel Macht.
http://editrixblog.blogspot.de/2016/02/the-uneasy-remembrance-of-fritz-bauer.html

--
ODERINT DUM METUANT
(Caligula)

Gender-Thema: Sozialisierte Männer

0blomow, Samstag, 20. Februar 2016, 05:44 (vor 3370 Tagen) @ The Editrix

(......)


Es spricht einiges dafür, dass Fritz Bauer ermordet wurde. Die alten Nazi-Seilschaften hatten damals noch viel Macht.
http://editrixblog.blogspot.de/2016/02/the-uneasy-remembrance-of-fritz-bauer.html


Kollegin Editrix, der Zeitpunkt des Todes, Bauer war bereits im Rentenalter, spricht eigentlich dagegen.
Oder schrieb er bereits die Memoiren?
Wenn sie ihn hätten beseitigen wollen, dann doch Ende der 1950er Jahre.

Rein zufällig sah ich vorhin den Programmhinweis:
Am kommenden Mittwoch ( 24.Feb.) gibt es um 20.15 den Spielfilm "Die Akte General"
Es geht um die Tätigkeit Fritz Bauers. Hoffentlich ist der Film nah am tatsächlichen Geschehen und nicht verkitscht.
Ob sie die 2002 freigegebenen Geheimdienstakten 1956-1965 ( Organisation Gehlen/ BND ) schon ausgewertet resp. verarbeitet haben?

http://www.ufa-fiction.de/projekte/movie/die-akte-general/

Gender-Thema: Sozialisierte Männer

Divara @, Dienstag, 16. Februar 2016, 18:48 (vor 3373 Tagen) @ The Editrix

Mme Divara wollte hierauf anspielen, lieber Sir Oblomow. Sie bekennt damit, dass sie auf Schmeichelei hereingefallen ist:

Danke, mir fällt die Klarstellung aus verständlichen Gründen etwas schwer. Zumal es da eine Mitarbeiterin gibt, die Artikel zusammenfasst, die sie gar nicht gelesen hat. Und die macht das Rennen.

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Gender-Thema: Sozialisierte Männer

Alex @, Donnerstag, 11. Februar 2016, 10:40 (vor 3379 Tagen) @ Oblomov

Cora Stephan schrieb zum Sylvester-in Köln-Vorfall einen niedlichen Aufsatz, der (u.a.) bei "achgut" unter dem Titel:
"Der postheroische Mann ....."
zu lesen ist. Diesmal geht es jedoch um das Verhalten hiesig sozialisierter Männer.
Im Raum steht für Stephan die Frage: Wie (und warum) verhielt er sich im Getümmel des Kölner Sexismus und Raubes.


http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/der_postheroische_mann_und_andere_...

Die These, dem Mann sei die BeschützerRolle abgewöhnt worden, kann ihre Argumentation m.E. nicht verfestigen,
denn schon die Prämissen schließen die wahrscheinlichste Verhaltensweise aus, nämlich die archaischste.
Deshalb ist auch die Frage müßig, hätten die Männer die attackierten Frauen verteidigt, weil doch bekannt ist, dass in erster Linie Frauen überfallen wurden, die ohne männliche Begleitung waren. Dass einfach gestrickte Nord-Afrikaner ihnen vertraute Herrschaftsverhältnisse auch in der Fremde anerkennen ( so zB wenn eine Frau einem Mann zuzuordnen ist, ein Paar ), ist eher wahrscheinlich.

Der von mir mit amüsiertem Wohlwollen verfolgte Klonovsky schrieb anlässlich des Ablebens von R.Willemsen folgende boshaften Worte:
"Der soeben verstorbene R. Willemsen ist für mich insofern interessant, als er einen Trend verkörperte, den ich bereits länger beobachte: Immer mehr westliche Y-Chromosombesitzer sterben als großer Junge (oder, wenn's am Ende schnell geht, als juveniler Greis); das Stadium des Mannes, zumal des reifen Mannes, lassen sie einfach aus."

Dem kann ich beipflichten (und nein, es ist nicht nur Selbstreflektion...:-D ).
Wenn Cora Stephan DARAUF insistiert, dann hat sie recht.
Ob das zu bedauern ist?
Eher nicht.
Der metrosexuelle Mann braucht die Attitüde des gendermäßigen Beschützers im Alltag immer weniger.
Wie übrigens die meisten Frauen auch. Wer als Macho mal versehentlich in einer Lesbenbar landete und von der handfesten Barkeeperin die Fresse poliert bekam, der konnte ein Liedchen davon auf der Schnabeltasse pfeifen...

Btw, Raj Kootrapali, einer der metrosexuellen BIG BANGer, hatte mal für metrosexuell die perfekte Definition:
"Ich mag Frauen UND ihre Körperpflegeprodukte...")

Kurzum, es gibt im Alltag, zumindest im urbanen Raum, wenig solcher Situationen, die den Beschützerinstinkt provozieren.
Das mag sich geändert haben in Gegenden, die heute eher zum urarabernen Raum mutiert sind.
Da ist man aber als einzelner "weißer" Mann auch in Gefahr.

Klar, die Formen der Auseinandersetzung haben sich - zum Glück - in den letzten hundert Jahren weitestgehend in eine 'nur-verbale" gewandelt. Dennoch:
Ist es vorstellbar, dass wir (m) in Begleitung weiblicher Wesen angesichts der Übermacht uns auf die Stufen der Domplatte setzen, in Ruhe eine Zigarette drehen und zuschauen, wie sich alles entwickelt, wie die Begleitung betoucht und ausgeraubt wird? Als hätten wir damit nichts zu tun.

Ich denke, nein!
soviel Urinstinkt und Verhalten ist immernoch vorhanden, selbst wenn unsere Begleiterin nur eine ungeliebte Kollegin oder Bekannte oder sogar männlich ist. Man verbindet das "Schicksal" mit der / dem Hauptbetroffenen. Und verteidigt ( im Rahmen der individuellen Möglichkeiten ). Zumindest würde man versuchen, die resp. den Hauptbetroffenen aus der Schußlinie zu ziehen.
In Krisensituationen fallen wir zurück ins Archaische. Da läuft auch für Pazifisten ( und für Untrainierte ) die Grundprogrammierung. Sicherlich auch zu bezeichnen als 'Verantwortung für Sippenmitglieder'. ( Welche in diesem Moment auch jener sein kann, mit dem man nur einmal Blickkontakt hatte und der nicht einmal signalisieren muß: 'Help me !"

Solche bösartigen Aktionen wie auf der Domplatte haben einen kriminellen Hintergrund.
Kulturell gibt es leider die Nichtachtung von Frauen in islamischen Gesellschaften, aber solche Aktionen wie in Köln gehen auch dem "normalen" Muslim gegen den Strich und bedürfen einer geübten Planung.
Dass die Polizisten teilweise den Opfern nicht sofort zu Hilfe kommen konnten, hatte auch etwas mit dem perfiden Vorgehen der 1000 nordafrikanischen "Selbstbeflecker" zu tun, die sich um die Tatvorgänge so verdichteten, dass es sehr aufwändig war, zu den Opfern vorzudringen. Übrigens auch eine Technik, wie man sie vom organisierten Raub und Taschendiebstahl auf der Straße kennt.

Natürlich sind wir (v)erzogen durch die Frauenbewegung.
Aber das ist vielleicht alles nur Fassade oder Show; in Wirklichkeit bleiben wir doch die alten Macker,
die allerhand Risiken eingehen würden, um Hilflosen beizustehen - gerade wenn es um Frauen geht.

Einem Hilfebedürftigen zu helfen ist nichts geschlechtsspezifisches.
Ich habe auch schon eingegriffen, als einem schmalen Kerlchen die Handtasche der Angetrauten um die Ohren flog und er jammernd Zähne spuckte...:-D
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass es oft Frauen sind, die sich, eher als Männer, einmischen.
Was auch damit zu erklären ist, dass Männer öfter bei "intermännlichen" Gewalttätigkeiten denken, das ist schon ok, wer weiß, was der Typ getan hat, dass er so angegangen wird...
Sprich, Gewalt unter Männern ist nach wie vor "normal"...


Frau Stephan kritisiert einen "Fortschritt" der Weicheier-Sozialisierung, der m.E. in der Tiefe gar nicht stattgefunden hat.
Womit ich nicht behaupten wollte, die Frauenbewegung habe keine Neuerungen gebracht. Doch, ganz viele sogar.
Nur nicht in dem Fall.
Hier waren die ( armierten ) Beamten die 'Weicheier', die sich ob der Übermacht nicht einzugreifen trauten.
Sie hätten wenigstens die Freiheitsberaubten jungen Frauen befreien, d.h. aus der Menge herausholen können.
.

Siehe meine Beschreibung der Tatvorgänge weiter oben.
Mit so einem Phänomen der "Verdichtung" waren die Einsatzkräfte vermutlich erst mal überfordert.
Das wird so schnell kein zweites Mal gelingen.

Ansonsten ist der Alltag im Vergleich zu vor 40 Jahren aggressiver geworden.
Allerdings waren wir alle zu der Zeit so friedensbesoffen, das ist heute unvorstellbar.
Das gab es auch früher selbst in Friedenszeiten nicht.
In den Dekaden davor war es wesentlich riskanter, ein (junger) Mann zu sein.
Aus zuverlässigen Quellen weiß ich, dass Wirtshausschlägereien mit hoher Gewalt und Wahrscheinlichkeit die Wochenenden prägten und vor allem in den Großstädten zu Bürgerkriegsszenarien ausarteten, die sich von den Innenstädten bis in die Vororte zogen.
Und auch die Einsätze der MP Samstags abends in den 70ern ließen kein Auge trocken. Die Hickory Stöcke der US-MilitärPolizisten führten zu schnellen Auflösungen rüder Kloppereien...
Das alles gibt es heute nicht mehr in dieser Schlagzahl.
Ist mir eigentlich auch ganz recht...:-P

Gender-Thema: Sozialisierte Männer

udosefirothh, Donnerstag, 11. Februar 2016, 20:24 (vor 3378 Tagen) @ Alex

"Kurzum, es gibt im Alltag, zumindest im urbanen Raum, wenig solcher Situationen, die den Beschützerinstinkt provozieren.
Das mag sich geändert haben in Gegenden, die heute eher zum urarabernen Raum mutiert sind.
Da ist man aber als einzelner "weißer" Mann auch in Gefahr."
______________________________________________________________________________

Genau und dazu kommt dann noch die Problematik evtl. Schadensersatz Forderungen;
wäre mir aber in solchen Fällen egal.

Gender-Thema: Sozialisierte Männer

udosefirothh, Donnerstag, 11. Februar 2016, 20:34 (vor 3378 Tagen) @ Oblomov

"Hier waren die ( armierten ) Beamten die 'Weicheier', die sich ob der Übermacht nicht einzugreifen trauten.
Sie hätten wenigstens die Freiheitsberaubten jungen Frauen befreien, d.h. aus der Menge herausholen können."
_________________________________________________________________________________
"
Ein Eingreifen der Polizei hätte nicht ins "Heile Weltbild" der Apologeten des
"Wir schaffen das" gepasst; Köln gehört ja zum Kalifat NRW; knüppelnde Polizisten
und ein fliehender muslimischer Mob kommen da nicht gut an.
Wie schon final erwähnte, dieser Abschaum geht auch den Muslimen in Deutschland
auf den Sack, das aber lässt dann doch hoffen.

Gender-Thema: Sozialisierte Männer

Divara @, Donnerstag, 11. Februar 2016, 22:12 (vor 3378 Tagen) @ udosefirothh

"Hier waren die ( armierten ) Beamten die 'Weicheier', die sich ob der Übermacht nicht einzugreifen trauten.
Sie hätten wenigstens die Freiheitsberaubten jungen Frauen befreien, d.h. aus der Menge herausholen können."
_________________________________________________________________________________
"
Ein Eingreifen der Polizei hätte nicht ins "Heile Weltbild" der Apologeten des
"Wir schaffen das" gepasst; Köln gehört ja zum Kalifat NRW; knüppelnde Polizisten
und ein fliehender muslimischer Mob kommen da nicht gut an.
Wie schon final erwähnte, dieser Abschaum geht auch den Muslimen in Deutschland
auf den Sack, das aber lässt dann doch hoffen.

Ja, der Dompropst hätte das Licht ausgemacht.

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