Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }
Oblomow, Freitag, 06. Mai 2016, 16:28 (vor 3293 Tagen)
Genossen,
Nächtens las ich im 'Spiegel' ( Nr. 16/2016, S.116 ff ) unter dem Titel: "Das Reich der Lüge",
einen hübschen Aufsatz ( Autor: Romain Leick ) über die Denkweise / Haltung des in der Nachkriegszeit höchst umstrittenen Soziologen/Philosophen Arnold Gehlen.
( Nicht zu verwechseln mit 'Reinhard Gehlen', der im 3.Reich Abwehrchef war, später den Aufbau des BND organisierte.)
Dieser erzkonservative Denker Arnold Gehlen beschwor - natürlich vollkommen unzeitgemäß - noch in den 1960/70er Jahren
Die Angst vor dem Untergang durch den aufkommenden Sozialismus, auf der wiederum die Gewaltbereitschaft lauere.
Offenbar greifen zZt mehrere Philosophen wie Peter Sloterdijk nicht nur auf M.Heideggers, sondern vermehrt auch auf A.Gehlens Schriften zurück, wenn sie die Befindlichkeit des Spießbürgers, der "seinen Gefühlen Weltbedeutung zuschreibt", aber auch einen Erklärungsansatz für den rasanten Aufstieg der AfD liefern möchten. Es geht in diesem Sinne um eine theoretische Einordnung, um den Theorie- Überbau.
Spannend zu lesen....... 4 oder 5 Seiten...... und man glaubt sich zurückversetzt in Vorzeiten der Bildungskatastrophe, als Erklärungsansätze nicht platt und oberflächlich waren und exakte Formulierungen noch vorherrschten.
Aber auch in Zeiten, da Nachdenken über bestimmte Themenbereiche 'unmodern' oder mit einem Tabu behaftet war.
Romain Leick ( mir vorher nicht bekannt ) bleibt in der Darstellung im Stil der grauen Vorzeit der 1950er exakt., schleift nicht ( da, wo nicht erforderlich ) die Komplexität und die Kompliziertheit der Quellentexte.
Leider ist der Artikel bei Spiegel-Online nur für Abonnenten lesbar.
( Wenn möglich ) BITTE LESEN !!
https://magazin.spiegel.de/SP/2016/16/144314395/index.html
Schade, dass ecc. nicht mehr mitliest.
Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }
Divara , Freitag, 06. Mai 2016, 22:50 (vor 3293 Tagen) @ Oblomow
Ich möchte für Spon nicht zahlen. Monsieur Oblomow, ist es nicht möglich, die wichtigsten Gedanken zusammenzufassen?
Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }
0blomow, Mittwoch, 18. Mai 2016, 06:43 (vor 3282 Tagen) @ Divara
Liebe Kollegin, der konservative Roland Tichy fasst den Artikel auch nicht gut zusammen, hält ihn jedoch für wichtig.
"Ein Lesemuss in dieser Woche und eine Herausforderung gleichermaßen ist der Zeitgeist-Beitrag „Das Reich der Lüge“ über Arnold Gehlen. Autor Romain Leick beschreibt, wie der Philosoph, der sich selbst als „Reaktionär“ bezeichnete, in seinen Schriften „das grundsätzliche Unbehagen an den Zeitläuften und an deren politischer Bewältigung, das auch dem diffusen Protest von Pegida und AfD zugrunde liegt“ formulierte. „Es ist schlicht die Angst vor dem Untergang, die befürchtete Auflösung der Staatlichkeit, die heute in der Erregung über die Flüchtlinge zum Ausdruck kommt“, so Leick."
http://www.rolandtichy.de/kolumnen/der-sonntagsleser/der-spiegel-nr-16-boese-boeser-boe...
a.a,O. Tichys Einblicke
Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }
Albert Schweizer, Freitag, 06. Mai 2016, 23:40 (vor 3293 Tagen) @ Oblomow
Genossen,
Nächtens las ich im 'Spiegel' ( Nr. 16/2016, S.116 ff ) unter dem Titel: "Das Reich der Lüge",
einen hübschen Aufsatz ( Autor: Romain Leick ) über die Denkweise / Haltung des in der Nachkriegszeit höchst umstrittenen Soziologen/Philosophen Arnold Gehlen.
( Nicht zu verwechseln mit 'Reinhard Gehlen', der im 3.Reich Abwehrchef war, später den Aufbau des BND organisierte.)Dieser erzkonservative Denker Arnold Gehlen beschwor - natürlich vollkommen unzeitgemäß - noch in den 1960/70er Jahren
Die Angst vor dem Untergang durch den aufkommenden Sozialismus, auf der wiederum die Gewaltbereitschaft lauere.
Offenbar greifen zZt mehrere Philosophen wie Peter Sloterdijk nicht nur auf M.Heideggers, sondern vermehrt auch auf A.Gehlens Schriften zurück, wenn sie die Befindlichkeit des Spießbürgers, der "seinen Gefühlen Weltbedeutung zuschreibt", aber auch einen Erklärungsansatz für den rasanten Aufstieg der AfD liefern möchten. Es geht in diesem Sinne um eine theoretische Einordnung, um den Theorie- Überbau.Spannend zu lesen....... 4 oder 5 Seiten...... und man glaubt sich zurückversetzt in Vorzeiten der Bildungskatastrophe, als Erklärungsansätze nicht platt und oberflächlich waren und exakte Formulierungen noch vorherrschten.
Aber auch in Zeiten, da Nachdenken über bestimmte Themenbereiche 'unmodern' oder mit einem Tabu behaftet war.Romain Leick ( mir vorher nicht bekannt ) bleibt in der Darstellung im Stil der grauen Vorzeit der 1950er exakt., schleift nicht ( da, wo nicht erforderlich ) die Komplexität und die Kompliziertheit der Quellentexte.
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Schade, dass ecc. nicht mehr mitliest.
Arnold Gehlen war mit Reinhard Gehlen verwandt, auch geistig, wie mir scheint. Die «Organisation Gehlen» aus Notwendigkeit geboren wurde (in Deutschland) zum Mythos verklärt, in Wahrheit war es ein Sammelbecken von Altnazis, die sich in der Zusammenarbeit mit Gehlen seit dem Kriegsverbrechen Barbarossa «verbunden» fühlten. Dieser Arnold Gehlen war Antisemit, auch in der BRD war er sich nicht zu blöd, weiter gegen «das Jüdische» zu hetzen und warf unter anderm Adorno immer wieder mal seine rassische Herkunft vor - ein Denkmuster erfolgreich von den Deutschen eingepflanzt.
Ein Grund, warum dann Adorno äusserst angewidert von der deutschen «Nachkriegsgeneration» ins Schweizerische Wallis zügelte.
Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }
Albert Schweizer, Freitag, 06. Mai 2016, 23:43 (vor 3293 Tagen) @ Oblomow
Genossen,
Nächtens las ich im 'Spiegel' ( Nr. 16/2016, S.116 ff ) unter dem Titel: "Das Reich der Lüge",
einen hübschen Aufsatz ( Autor: Romain Leick ) über die Denkweise / Haltung des in der Nachkriegszeit höchst umstrittenen Soziologen/Philosophen Arnold Gehlen.
( Nicht zu verwechseln mit 'Reinhard Gehlen', der im 3.Reich Abwehrchef war, später den Aufbau des BND organisierte.)Dieser erzkonservative Denker Arnold Gehlen beschwor - natürlich vollkommen unzeitgemäß - noch in den 1960/70er Jahren
Die Angst vor dem Untergang durch den aufkommenden Sozialismus, auf der wiederum die Gewaltbereitschaft lauere.
Offenbar greifen zZt mehrere Philosophen wie Peter Sloterdijk nicht nur auf M.Heideggers, sondern vermehrt auch auf A.Gehlens Schriften zurück, wenn sie die Befindlichkeit des Spießbürgers, der "seinen Gefühlen Weltbedeutung zuschreibt", aber auch einen Erklärungsansatz für den rasanten Aufstieg der AfD liefern möchten. Es geht in diesem Sinne um eine theoretische Einordnung, um den Theorie- Überbau.Spannend zu lesen....... 4 oder 5 Seiten...... und man glaubt sich zurückversetzt in Vorzeiten der Bildungskatastrophe, als Erklärungsansätze nicht platt und oberflächlich waren und exakte Formulierungen noch vorherrschten.
Aber auch in Zeiten, da Nachdenken über bestimmte Themenbereiche 'unmodern' oder mit einem Tabu behaftet war.Romain Leick ( mir vorher nicht bekannt ) bleibt in der Darstellung im Stil der grauen Vorzeit der 1950er exakt., schleift nicht ( da, wo nicht erforderlich ) die Komplexität und die Kompliziertheit der Quellentexte.
Leider ist der Artikel bei Spiegel-Online nur für Abonnenten lesbar.( Wenn möglich ) BITTE LESEN !!
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Schade, dass ecc. nicht mehr mitliest.
Ausserdem ist die vermeitliche Spiessbürgerlichkeit, diese urdeutsche «Angst» vor Untergang und Chaos bei einem Teil der Bevölkerung kein Alleinstellungsmerkmal. In vielen europäischen Staaten gibts den Bodensatz, der sich von Aufpeitschern in die Hysterie schlagen lässt.
Insoweit ist das Ausmass, der Ton, die Brutalität und die Undifferenziertheit seit jeher ein einzigartiger Ausdruck deutscher Neonazis. Doch Deppen gibts überall.
Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }
NN, Montag, 09. Mai 2016, 18:19 (vor 3290 Tagen) @ Albert Schweizer
Genossen,
Nächtens las ich im 'Spiegel' ( Nr. 16/2016, S.116 ff ) unter dem Titel: "Das Reich der Lüge",
einen hübschen Aufsatz ( Autor: Romain Leick ) über die Denkweise / Haltung des in der Nachkriegszeit höchst umstrittenen Soziologen/Philosophen Arnold Gehlen.
( Nicht zu verwechseln mit 'Reinhard Gehlen', der im 3.Reich Abwehrchef war, später den Aufbau des BND organisierte.)Dieser erzkonservative Denker Arnold Gehlen beschwor - natürlich vollkommen unzeitgemäß - noch in den 1960/70er Jahren
Die Angst vor dem Untergang durch den aufkommenden Sozialismus, auf der wiederum die Gewaltbereitschaft lauere.
Offenbar greifen zZt mehrere Philosophen wie Peter Sloterdijk nicht nur auf M.Heideggers, sondern vermehrt auch auf A.Gehlens Schriften zurück, wenn sie die Befindlichkeit des Spießbürgers, der "seinen Gefühlen Weltbedeutung zuschreibt", aber auch einen Erklärungsansatz für den rasanten Aufstieg der AfD liefern möchten. Es geht in diesem Sinne um eine theoretische Einordnung, um den Theorie- Überbau.Spannend zu lesen....... 4 oder 5 Seiten...... und man glaubt sich zurückversetzt in Vorzeiten der Bildungskatastrophe, als Erklärungsansätze nicht platt und oberflächlich waren und exakte Formulierungen noch vorherrschten.
Aber auch in Zeiten, da Nachdenken über bestimmte Themenbereiche 'unmodern' oder mit einem Tabu behaftet war.Romain Leick ( mir vorher nicht bekannt ) bleibt in der Darstellung im Stil der grauen Vorzeit der 1950er exakt., schleift nicht ( da, wo nicht erforderlich ) die Komplexität und die Kompliziertheit der Quellentexte.
Leider ist der Artikel bei Spiegel-Online nur für Abonnenten lesbar.( Wenn möglich ) BITTE LESEN !!
https://magazin.spiegel.de/SP/2016/16/144314395/index.html
Schade, dass ecc. nicht mehr mitliest.
Ausserdem ist die vermeitliche Spiessbürgerlichkeit, diese urdeutsche «Angst» vor Untergang und Chaos bei einem Teil der Bevölkerung kein Alleinstellungsmerkmal. In vielen europäischen Staaten gibts den Bodensatz, der sich von Aufpeitschern in die Hysterie schlagen lässt.
Tatsächliche und/oder vermeintliche Spießbürgerlichkeit geht zunächst mal nicht notwendigerweise mit einer (irrationalen) Angst vor dem Untergang einher. D.h.: Wenn die Ordnung des (wie auch immer gearteten oder näher definierten) Spießbürgers gestört wird, muss die Reaktion nicht zwingend Angst sein. Dann stellt sich die Frage, ob und wenn ja, inwieweit der Spießbürger Bodensatz ist / sein kann / war. Bodensatz markiert im politischen Sprachgebrauch jedenfalls zumeist sowas wie Unterschicht (der gemeine Spießer eher nicht). Das ist das eine.
Das andere ist, dass Deutsche - statistisch, versteht sich - im Rahmen der vergleichenden sozialpsychologischen Forschung in der Tat vergleichsweise hohe/höhere Angstwerte aufweisen. Wobei ich die entsprechenden Untersuchungen in diesem Rahmen nicht beibringen kann.
Als politischen Niederschlag derselben kann man das Waldsterben (das dann doch arg relativ war) und oder die in Deutschland vergleichsweise stark verbreitete Angst vor der Atomkraft anführen.
Insoweit ist das Ausmass, der Ton, die Brutalität und die Undifferenziertheit seit jeher ein einzigartiger Ausdruck deutscher Neonazis. Doch Deppen gibts überall.[/b]
Auch @Albert
Wenn ich nur die Überschrift des Artikels und die paar Zeilen darunter lese, bekomme ich einen kleinen Fön. Arnold Gehlen war und ist für deutsche Rechtsintellektuelle / intellektuelle Rechtsradikale (die heute an die AfD angedockt haben oder auch umgekehrt) kein zentraler Autor.
Im ziemlich knapp gehaltenen deutschen Wiki-Artikel finden sich zwar zwei, drei Belege dafür, dass sich Leute aus dem genannten Personenkreis mit Gehlen näher beschäftigt haben (darunter der vor einigen Jahren gestorbene Armin Mohler, der übrigens aus der Schweiz kam). Allerdings gehörte Arnold Gehlen definitiv nicht zu den Autoren der sog. Konservativen Revolution aus der Weimarer Zeit, die für deutsche Rechtsintellektuelle zentral sind. Darunter vor allem Carl Schmitt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_Gehlen
Auch trifft es zu, dass Gehlen ohne Druck (geschweige denn Not) dem NS-Hochschullehrerbund beigetreten ist und man ihn, politisch betrachtet, einen Reaktionär und/oder radikalen Konservativen nennen kann. Gleichwohl sind große Teile seines Werkes, d.h. vor allem seiner sozialanthropologischen / sozialtheoretischen Schriften recht apolitisch gehalten. Gehlen wurde nicht nur in Deutschland von vielen Soziologen und/oder Sozialanthropologen gelesen und verarbeitet, die jene radikal konservativen Schlüsse, die er aus seiner Lehre zog, nicht mitgemacht haben (darunter z.B. Habermas oder die amerikanischen Sozialtheoretiker Peter Berger und Thomas Luckmann - die Liste ist lang.)
Mit anderen Worten: Größtenteils verfasste Gehlen furztrockenes Zeug, mit dem in der Regel weder der fachfremde Laie, noch der glühende Rechtsintellektuelle viel anfangen konnte. Sozialphilosophische / politische Schriften wie "Die Seele im technischen Zeitalter" oder "Moral und Hypermoral" machen dabei nur einen kleinen Teil seines Werkes aus.
"Moral und Hypermoral" habe ich (neben langen Auszügen seiner Sozialanthropologie bzw. Institutionentheorie) während des Studiums vor Jahren mal quergelesen. Dass hier jemand schreibt, der stockkonservativ / reaktionär und vor allem: Kulturpessimist ist, habe ich gemerkt. Doch ich müsste mich schon sehr täuschen bzw. falsch erinnern, wenn etwa diese Schrift wirklich für irgendeine AfD-Agitation taugte.
Abgesehen davon hat sich Gehlen (ganz anders als etwa Carl Schmitt und andere "Konservative Revolutionäre") meines Wissens nach nie antisemitisch geäußert. Im Wiki-Artikel steht dasselbe. Wenn er es doch getan hätte, wäre es wahrscheinlich bekannt bzw. spätestens mit dem Ende der 60er-Jahre bekannt geworden.
Im Wiki-Artikel steht, dass Adorno versucht hätte, eine Berufung Gehlens zu verhindern (die Karl Löwith https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_L%C3%B6with angeblich befürwortet hätte). Dazu findet sich aber keine Fußnote.
Fest steht, dass mehrere Diskussionen zwischen Adorno und Gehlen erhalten sind, die sich, worauf im Wiki-Artikel richtigerweise hingewiesen wird, in Bezug auf Kulturpessimismus ähnelten.
Diese Diskussionen stehen auf Youtube, u.a. hier ab 0:50:
Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }
NN, Montag, 09. Mai 2016, 21:20 (vor 3290 Tagen) @ NN
Nachtrag:
Wobei die eher sozialphilosophische Schrift "Die Seele im technischen Zeitalter" weder radikal konservativen / reaktionären, noch besonders kulturpessimistischen Charakters ist:
Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }
Schlemiel, Donnerstag, 12. Mai 2016, 11:18 (vor 3288 Tagen) @ NN
Gehlen ist in seinem, sagen wir mal pragmatischer Menschheitsbeschreibung dem Herrn Rousseau nicht unähnlich. Doch wo die Schweizer Aufklärung in ihrer Misantropie die Kraft des Individuums synthetisiert, sehen deutsche - auch und vor allem linksintellektuelle - Analytiker die Erlösung in einer zentralen Autokratie, die den Pöbel zusammenhält. Der «starke Staat» wird als Modell propagiert, wo Sicherheit und Zwang den Einzelnen in seinem Wirken frei werden lässt.
Das Problem liegt in der Fortschrittsfeindlichkeit dieser Auffassung. Das Bestehende wird perfektioniert. Doch die Innovationskraft ist schwach. Die (schlussendlich) amerikanische Auffassung widerspricht dem diametral: Das Inidividuum, der rousseausche «Naturmensch» in seinem Bestreben, immer wieder Neues zu schaffen (und auch daran zu scheitern) wird zum Ideal. Der Staat ist bloss nebensächliches Beigemüse, das verhindert, dass sich der Pöbel gegenseitig niederwalzt. Doch nicht die Zugehörigkeit zu einem starken, aber zäh funktionierenden Kollektiv zählt, sondern das «Streben nach Erfüllung (des Einzelnen)». Der europäische, vermeintliche Kampf zwischen Linken und Rechten ist soweit irrelevant (Nationalsozialismus gegen Nationalen Sozialismus (Zone)), sie erinnert in ihrer geheuchelten, systembejahenden Vordergründigkeit an rechtskonservative Katholiken, die sich über Gewaltexzesse von Muslimen ereifern. Insoweit stehen sich Gehlen und z.B. die Baader Meinhoff Truppe näher, als es beiden wohl lieb ist. Die Verkennung der Freiheit ist in diesem «Systemkampf» derselbe. Leider gibt es in Europa (ausser der Schweiz) kaum politische Kräfte, die sich von dieser «Umarmung» befreien konnten.
Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }
NN, Mittwoch, 18. Mai 2016, 19:57 (vor 3281 Tagen) @ Schlemiel
bearbeitet von NN, Mittwoch, 18. Mai 2016, 20:19
Gehlen ist in seinem, sagen wir mal pragmatischer Menschheitsbeschreibung dem Herrn Rousseau nicht unähnlich.
Wat?!
Ich weiß nun nicht, was an Schweizer Schulen über Rousseau alles gelehrt wird (und was nicht), aber Rousseaus Menschheitsbeschreibung war gewiss nicht pragmatisch:
„Es ist nichts zahmer als der Mensch in seinem ursprünglichen Zustande, da ihn die Natur von der Dummheit der Tiere und von den schädlichen Einsichten des gesitteten Menschen, gleich weit entfernt, da Vernunft und Instinkt nur darauf abzielen, dass er sich vor einem Übel hüte, von dem er bedroht wird, und da er durch ein natürliches Mitleid abgehalten wird, jemals Böses zu tun, auch wenn es ihm von einem anderen zugefügt wird, und nichts kann ihn dazu antreiben, es ihm wiederum zu vergelten.“ (Siehe auch: Edle Wilde.)
S: Doch wo die Schweizer Aufklärung in ihrer Misantropie
Rousseau war entsprechend nicht misanthrop, sondern "soziothrop". (Was man ihm, historisch bedingt, nachsehen mag, weil er in einer ständischen bzw. absolutischen Gesellschaft lebte - aber das ist ein anderes Fass.)
S: die Kraft des Individuums synthetisiert, sehen deutsche - auch und vor allem linksintellektuelle - Analytiker die Erlösung in einer zentralen Autokratie, die den Pöbel zusammenhält. Der «starke Staat» wird als Modell propagiert, wo Sicherheit und Zwang den Einzelnen in seinem Wirken frei werden lässt.
Die Schweizer können heilfroh sein, dass ihre Verfassungsväter die Lehre(n) Rousseaus alles andere als 1:1 umgesetzt haben. Andernfalls wäre die Schweiz wohl eine besondere Art von linker Hölle. Man müsste dort z.B. eine Abstimmungsniederlage ggf. nicht nur akzeptieren, sondern, so Rousseaus Folgerung, einsehen, dass man geirrt habe und sich ein bisschen schämen, weil die volontee generale etwas Anderes besagt.
Auch ist etwa antiautoritäre Erziehung, deren Urvater Rousseau ist, keine gute Idee. (Siehe: "Emile")
Das Problem liegt in der Fortschrittsfeindlichkeit dieser Auffassung. Das Bestehende wird perfektioniert. Doch die Innovationskraft ist schwach. Die (schlussendlich) amerikanische Auffassung widerspricht dem diametral: Das Inidividuum, der rousseausche «Naturmensch» in seinem Bestreben, immer wieder Neues zu schaffen (und auch daran zu scheitern) wird zum Ideal. Der Staat ist bloss nebensächliches Beigemüse, das verhindert, dass sich der Pöbel gegenseitig niederwalzt. Doch nicht die Zugehörigkeit zu einem starken, aber zäh funktionierenden Kollektiv zählt, sondern das «Streben nach Erfüllung (des Einzelnen)». Der europäische, vermeintliche Kampf zwischen Linken und Rechten ist soweit irrelevant (Nationalsozialismus gegen Nationalen Sozialismus (Zone)), sie erinnert in ihrer geheuchelten, systembejahenden Vordergründigkeit an rechtskonservative Katholiken, die sich über Gewaltexzesse von Muslimen ereifern. Insoweit stehen sich Gehlen und z.B. die Baader Meinhoff Truppe näher, als es beiden wohl lieb ist. Die Verkennung der Freiheit ist in diesem «Systemkampf» derselbe. Leider gibt es in Europa (ausser der Schweiz) kaum politische Kräfte, die sich von dieser «Umarmung» befreien konnten.
[/b][/color]
Zu Gehlen: Er ging davon aus, dass es einen Menschen in Wildform** nie gegeben hat. Der Naturzustand ist, egal ob paradiesisch (Rousseau) oder echt ätzend (Hobbes) Tinnef. Den Menschen zeichnet aus, dass er, gerade dadurch, weil er ein Mängelwesen ist (weniger Instinktsicherheit, nicht spezialisiert), auf Kultur bzw. Sozialität angewiesen.
Oder genauer auf Institutionen: Das muss nicht der Staat sein; dies kann auch die Familie sein, die Kirche, ein schamanisches Ritual oder der Stamm. Daraus hat Gehlen radikal konservative / reaktionäre Schlüsse gezogen. Wenngleich er keinen Staatsfetisch (im Gegensatz zu Schmitt etwa) hatte oder, obwohl er zeitweise den Nazis anhing, in der Nation oder anders gearteter ethnischer Homogenität keine zwingend heilsbringende Größe erkannte. Religiös war er (anders als Schmitt*) auch nicht. Insofern war er Funktionalist. Hauptsache: Institutionen, egal welche.
Richtig ist, dass Gehlen dem Individuum misstraute, weil er sich auf der Basis seiner Sozialanthropologie kaum ein gutes/richtiges/geordnetes menschliches Leben vorstellen konnte, das nicht tief in Institutionen und/oder die durch dieselben erworbenen Kulturtechniken eingebettet ist. Dies macht ihn zum radikal Konservativen / Reaktionär und Nicht-Liberalen. Gleichwohl galt: Mit der Moderne / mit dem Fortschritt und alle seinen von ihm so empfundenen Schattenseiten muss man auch irgendwie klarkommen ("Zurück in die Zukunft", Stillstand, Nicht-Entwicklung waren für ihn auch Utopien). Daneben attestierte er dem Menschen eine eigentümliche Tendenz zur Entlastung (zumeist durch Technik). Diese Tendenz kann einerseits produktiv sein (schließlich musste man Stühle oder Kühlschränke erstmal bauen), kann aber andererseits auch Faulheit nach sich ziehen. (Einen AfD-Sozialstaat hätte er wohl für suboptimal gehalten.)
Das Ganze erklärt auch, wieso er nie ein zentraler Autor für (deutsche) Nationalisten und/oder Anhänger des in der Tat autoritären Katholiken Carl Schmitt war.
Und es bleibt weiter leicht rätselhaft, wie der Autor Leick darauf kommt, Gehlen gleich mit der AfD zu verschwurbeln. Wahrscheinlich nach dem einfachen Motto: "Gehlen" - "Reaktionär/radikal konservativ" - "Unbehagen am Fortschritt" -> AfD. Genauso gut oder so schlecht könnte man sagen: "Habermas" - "links" - "Unbehagen am Kapitalismus" -> Linkspartei. (Auch wenn sich nur wenige Linksparteiler jemals für Habermas interessiert haben.)
Irgendwo las ich neulich übrigens bei einem durchgeknallten Trumpisten, dass Adorno auch für die mitunter wirklich irre political correctness an manchen amerikanischen Universitäten verantwortlich sein soll.
* Wobei es auch linke und liberale Schmittianer gibt. Aber das ist ein anderes Fass. Allemal war Schmitt das größere und politisch bedeutendere Ex-Nazi-Arschloch als Gehlen.
** Als der Mensch bzw. die Vorfahren desselben noch keine Werkzeuge benutzten, keine Sprache hatten, keine Rituale durchführten und noch nicht so wirklich familiär lebten, waren sie eben noch keine Menschen bzw. noch keine Kulturwesen.