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Das Ende der grünen Hegemonie?

Alex @, Sonntag, 03. März 2024, 10:14 (vor 61 Tagen)

Das Ende der grünen Hegemonie?

NN, Sonntag, 03. März 2024, 13:53 (vor 61 Tagen) @ Alex

Interessanter Artikel:


https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/das-ende-der-gruenen-hegemonie-was-kommt-nac...

Hinter der Schranke, und da der Artikel von Januar ist, kann ich ihn auch nicht im Print lesen.


Hier ist er nochmal digital:

https://denkfabrik-r21.de/das-ende-der-gruenen-hegemonie/

Das Ende der grünen Hegemonie?

NN, Sonntag, 03. März 2024, 14:20 (vor 61 Tagen) @ NN

Interessanter Artikel:


https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/das-ende-der-gruenen-hegemonie-was-kommt-nac...


Hinter der Schranke, und da der Artikel von Januar ist, kann ich ihn auch nicht im Print lesen.


Hier ist er nochmal digital:

https://denkfabrik-r21.de/das-ende-der-gruenen-hegemonie/

Was aber sollte an die Stelle des Glaubens treten, dass die Märkte für rationale und effiziente Steuerung sorgten? Zunächst kehrte der Staat zurück, den der Neoliberalismus an die Seitenlinie verbannt hatte. Staaten mussten Banken retten, und mit der Kritik an den Auswüchsen neoliberaler Privatisierungen und Deregulierungen wuchsen neue Ansprüche an staatliche Regulierung und Steuerung. In das politisch-kulturelle Vakuum, das die Marktideologie hinterlassen hatte, strömte derweil ein Denkmuster ein, das sich seit den Achtzigerjahren in vielen westlichen Gesellschaften aufgebaut hatte: das grüne Paradigma.

Parteipolitisch etablierte sich das neue Paradigma in Deutschland mit der Gründung der Partei “Die Grünen” im Januar 1980. Sie wurzelte in den neuen sozialen Bewegungen der späten Siebzigerjahre: der Friedensbewegung, der Umwelt- und Antikernkraftbewegung sowie der neuen Frauenbewegung. Überhaupt ist die grüne Bewegung ein Kind der dekonstruktivistischen Postmoderne, die sich seit den Siebzigerjahren an westlichen Universitäten verbreitete. Ihr Wesenskern lag in der Kritik an der “großen Erzählung” (Jean- François Lyotard) der westlichen Moderne, vom zivilisatorischen Fortschritt durch Aufklärung und Rationalität, Industrialisierung und Technologie. Diese Ordnung werde, so Michel Foucault, durch Muster des Sprechens etabliert, während das Abweichende, so noch einmal Lyotard, durch den Konsens des herrschenden Paradigmas ausgeschlossen werde.

Die in ihren Gründzügen anfangs richtig skizzierte grüne Bewegung ist definitiv kein Kind der dekonstruktivistischen Postmoderne. Um 1980 herum hat in Deutschland noch kaum ein Schwein Lyotard gelesen, das war damals noch ein sehr französisches Ding. Die doch sehr akademische Lyotard-Rezeption in Deutschland war auch nicht durchgehend links geprägt, anders als die von Foucault, aber der wurde erst ab den 90ern zu einem von linken deutschen Akademikern rezipierten In-Philosophen. Übrigens so sehr, dass man sich, ohne ein Fan zu sein, teilweise dazu genötigt sieht, Foucault, der schon 1984 starb, gegen seine Fans zu verteidigen (wenn man denn im Studium etwas von ihm gelesen hat).

Was Rödder hier schreibt, ist wirklich sehr unpräzise.

Das Ende der grünen Hegemonie?

NN, Sonntag, 03. März 2024, 15:11 (vor 61 Tagen) @ NN

Sieht man davon ab, dass es weiterhin schleierhaft ist, wie Rödder Lyotard bzw. die philosophische Postmoderne mit den Grünen in Verhältnis setzt, ist der folgende Abschnitt präzise, zumal er die zeitliche Abfolge und Verschiebung der Themen berücksichtigt:

Postmodernes Denken nahm stattdessen die Defizite und Schattenseiten der westlichen Industriegesellschaften in den Blick. Die grünen Bewegungen verfolgten emanzipatorische Ansätze, wenn sie für Umweltschutz und Nachhaltigkeit, Frieden und globale Gerechtigkeit, Frauenrechte und ein Ende der Diskriminierung sexueller Minderheiten eintraten. Dabei zeichneten sich neben der Friedensbewegung drei weitere Foren ab. Die Ökologiebewegung etablierte das Themenfeld Klima und Energie, wobei der Schwerpunkt zu Beginn auf der Antiatomkraftbewegung lag und der Klimaschutz erst später in den Fokus rückte. Das Themenfeld Gender und Sexualität wurde zunächst von der neuen Frauenbewegung bezogen. Sie nahm die Geschlechterrollen der bürgerlichen Gesellschaft ins Visier, die Frauen den Bereich des Hauses und der Familie, Männern hingegen die Sphäre der Erwerbstätigkeit und der Öffentlichkeit zugewiesen hatte. Da es diese Sphäre war, in der sozialer Status erworben wurde, zielte die neue Frauenbewegung vor allem auf mehr Erwerbstätigkeit und die Lösung von Frauen aus Familienrollen. Hinzu kam die Emanzipation von Marginalisierten der bürgerlichen Moralordnung: von Homosexuellen, später von Transsexuellen und allgemein von “Queers”. Das dritte Themenfeld von Migration und Integration ging auf den Postkolonialismus zurück. Er setzte der Vorstellung einer westlichen Zivilisation, die der Welt Demokratie und Menschenrechte, Fortschritt und Wohlstand gebracht habe, die koloniale Erfahrung vieler Weltregionen entgegen, die den Westen vor allem in Form von Fremdherrschaft und Ausbeutung erlebt hatten.

Wobei er das Ganze am Ende wieder etwas mit dem Arsch einreißt, weil das Themenfeld Migration und Integration anfänglich mitnichten auf den Postkolonialismus zurückgeht. Dieser führte in linksakademischen Kreisen, jedenfalls in Deutschland, bis Ende der Nuller(!) eher ein Nischendasein und wurde danach erst auf breiterer Front hip. (Aber das gilt übrigens nicht unbedingt unter jüngeren Grünen, sondern mehr noch bei Leuten, die noch weiter links von den Grünen anzusiedeln sind, wie man momentan ganz gut erkennen kann).

Und daneben irritiert es, dass Rödder, als konservativer Kritiker, im gegebenen Zusammenhang nicht erwähnt, dass der Begriff der Integration für die Grünen lange Zeit keine oder keine große Rolle spielte, weil man bis Ende der 90er größtenteils klassisch multikulti unterwegs war und sich die Frage nach der Integration, also teils auch von Anpassungsleistungen, die Migranten erbringen sollten, entsprechend wenig stellte.

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