Mighty God

Schlemiel, Donnerstag, 22. Januar 2015, 11:01 (vor 3765 Tagen)

Bei Staaten in ihrem Bezug zur Religion kann man zwischen folgenden Modellen unterscheiden:

- Befreiender Laizismus (Frankreich): Die Religionsfreiheit ist gewährt. Der Staat ist strikt von der Kirche getrennt, um sich sämtlichen Einfluss (hier: Katholische Kirche) zu verbieten. Da die Kirche keine demokratische Tradition kennt, geniesst sie bei gesellschaftlichen Entwicklungen höchstens Beobachter- oder Beratungsstatus.

Vorteil: Keine religiöse Vereinnahmung.


- Beschützender Laizismus (USA): Die Religionsfreiheit ist gewährt. Hier werden aber die Kirchen vor staatlichem Einfluss geschützt, sprich vor Vereinnahmung oder Verbot. Die Kirchen wiederum haben sich uneingeschränkt an die Verfassung zu halten.

Vorteil: Keine religiöse Vereinnahmung.


- Kontrollierender Laizismus (Schweiz): Die Trennung von Kirche und Staat ist Gesetzeslage. Um historisch bedingt den Einfluss der Kirche auf den Staat zu unterdrücken, werden aber die Religionsgemeinschaften vom Staat «kontrolliert». Die Struktur ist «synodal», sprich demokratisch: Sowohl Pfarrer wie auch Seelsorger werden demokratisch gewählt (von den Angehörigen der jeweiligen Religionsgemeinschaft), das Wahlprozedere kontrolliert der Staat. Einflüsse der Kirche sind strikt untersagt (Bistumsverbot, Jesuitenverbot). Die Muslime, früher per «Zentralrat» organisiert, werden dieses Synodenmodell voraussichtlich 2017 einführen müssen. Einige Kantone kennen auch das französische Modell (Neuenburg usw.). Der Staat erhebt die Steuern für die Kirchen (höchst umstritten: auch für juristische), ist aber «blind» in der religiösen Ausrichtung. Eine komplette «Freigabe» der Religionsfreiheit (absolute Trennung von Kirche und Staat) wurde an der Urne immer wieder abgelehnt. Paradox: Sowohl von stark konservativ christlichen Kreisen wie auch von Laizisten, die in der Aufhebung der Staatskontrolle eine Gefahr höheren Einflusses der Kirchen befürchteten. Kirchen dürfen weder unabhängige Spitäler oder Schulen betreiben. Die faktische Kontrolle über religiöse, ausserkirchliche Institutionen liegt beim Staat.

Vorteil: Keine religiöse Vereinnahmung. Nachteil: Uneinheitliche, historisch gewachsene Regelungen.


- Klerikalismus (Deutschland): Die Kirche geniesst höchsten Einfluss bei staatlichen Institutionen, sie darf Spitäler und sonstige Einrichtungen betreiben und sogar Gesetze «aus moralischen Gründen» uminterpretieren (Abtreibung). Die Kirche ist nicht demokratisch organisiert und hat dem Staat keine Rechenschaft abzulegen. Ihre Vorsitzender werden nicht synodal gewählt, sondern von innerreligiösen Gremien bestimmt. Die Kirche ist bis in Regierungsstellen aktiv, stellt diese sogar aktuell (Merkel (CDU)). Im Gegensatz zum Iran wird in Deutschland aber darüber gestritten, ob das klerikale Modell weiterhin Bestand haben kann - eine Annäherung an das US -Modell wird von vielen gefordert. Der Staat erhebt die Steuern und ist einer verklausulierten «christlich -jüdischen» Tradition verpflichtet.

Vorteil: Verankerung des Staates in einer «moralischen Verantwortung». Nachteil: Faktischer Gottesstaat.


- Klerikalfaschismus (Iran): Kirche und Staat bilden eine Einheit. Religiöse Rechtsgelehrte geniessen absoluten Einfluss, das Recht wird auf religiösen Schriften (hier Koran) abgestützt. Es gibt keinerlei demokratische Kontrolle über die politischen Entscheidungsträger (Wächterrat). Der Staat kontrolliert sämtliche Institutionen und ist einer streng ausgelegten islamischen Tradition verpflichtet.

Vorteil: Verankerung des Staates in einer «moralischen Verantwortung». Nachteil: Faktischer Gottesstaat.


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