Weiter geht's: die Inquisition
Inquisition
Sicher werde ich die Heilige Inquisition nicht als leuchtende Stadt auf den Berg stellen. Es geht nur darum, ein paar Irrtümer richtigzustellen.
Irrtum Nr. 1 ist schnell beseitigt:
Die Inquisition und die Spanische Inquisition sind nicht dasselbe. Die Inquisition war ein kirchliches Gericht, vor dem sich zumeist derjenige zu verantworten hatte, der Lehren verbreitete, die mit der offiziellen Lehre der Kirche nicht übereinstimmten.
Die Spanische Inquisition hingegen war eine politische Instrument vom Ende des 15. Jahrhunderts zur Rekatholisierung Spaniens. Ihre Opfer waren die Muslime, die Juden und die Maranen Spaniens, die Ziele mehr politisch (Reichseinheit) als religiös. Darauf werde ich nicht näher eingehen. Man sollte höchstens wissen, dass es nicht diese Behörde war, die dem vielgelobten El Andalus den Garaus machte. Zuvor war es auch unter den Muslimen Südspaniens für Juden so ungemütlich geworden, dass sie es vorzogen, ins christliche Spanien zu fliehen. Aber das war nicht ihre Rettung.
Doch das ist spanische Geschichte, und ich bleibe bei der Kirche.
Die Inquisition
war zunächst kein Ketzergericht, sondern ein Gericht für Angehörige des hohen Klerus, die sich auf Grund ihrer politischen Macht (Fürstbischöfe) der weltlichen Gerichtsbarkeit entziehen konnten. Als Gegengewicht sollte die Inquisition eine Untersuchung einleiten, sofern ein begründeter Verdacht gegen einen von ihnen vorlag.
„Inquisitio“ bedeutet „Untersuchung“; und damit wird ausgedrückt, dass dieses kirchliche Gericht im Gegensatz zu den weltlichen Gerichten nach Grundsätzen verfuhr, die noch heute gültig sind: Wer vor einem weltlichen Gericht angeklagt war, musste seine Unschuld beweisen. Konnte er das nicht, hatte er schlechte Karten. Bei der Inquisition war es Aufgabe des Gerichtes, die Schuld des Angeklagten zu beweisen und die dazu notwendige Untersuchung einzuleiten. Das bedeutete gegenüber der Praxis der weltlichen Gerichte einen großen Fortschritt im Rechtsdenken.
Dieser wurde allerdings durch die Auseinandersetzung mit den Katharern teilweise wieder zurückgenommen. Die Katharer werden heute gern romantisiert als Unangepasste, die sich der mächtigen Kirche widersetzten und deshalb ausgerottet wurden. Es ist lohnend, sich einmal zu fragen, wer diese Katharer waren. Im Einzelnen gehe ich hier darauf nicht ein. Nur so viel: Es war eine obskure Gruppierung mit sehr seltsamen Überzeugungen und taugt als Beispiel für eine Befreiungsbewegung ähnlich gut wie der IS. Da sie seltsamerweise großen Zulauf hatte, stellte sie für die Stabilität des Zusammenlebens eine beträchtliche Gefahr dar. Was sie für breite Massen der Bevölkerung attraktiv gemacht hat, bleibt ein Rätsel (wie der IS auch). Gegen die Katharer schuf die Inquisition eine Art Schnellgericht, bei der Ankläger, Zeuge und Richter ein und dieselbe Person waren. Diesen Schnellgerichten wurde auch die Folter erlaubt, wenn auch in viel geringerem Maße als weltliche Gerichte sie praktizierten und mit strengen Auflagen.
Im Gegensatz zu einer volkstümlichen Überzeugung gibt es keine historischen Belege dafür, dass die Katharer durch Hinrichtungen ausgerottet wurden. Eindeutig belegt ist eine Massenhinrichtung von 211 Katharern in Mont Ségur, hier spricht man vom größten Scheiterhaufen der Inquisition. Neuere Forschungen gehen insgesamt von etwa 5% Hinrichtungen von verurteilten Katharern aus. Andere Strafen waren Wallfahrten, Haftstrafen, die Pflicht ein aufgenähtes Kreuz zu tragen oder am Kreuzzug teilzunehmen. Die meisten Katharer wurden erwiesenermaßen wieder durch Franziskaner und Dominikaner abgeworben. Dauerhafter Erfolg ist derart kuriosen Lehren wohl nicht beschieden.
Aber als Gericht gegen Häretiker blieb die Inquisition bestehen. Doch nur zum Vergleich: Weltliche Gerichte hatten da ganz andere Spielräume. Haftstrafen kannte man so gut wie gar nicht; mindere Strafen waren deshalb Verstümmelungen und beim Volk beliebt waren als öffentliches Spektakel phantasievoll gestaltete Hinrichtungen mit voraufgehender Folter, zu denen, ihr lieben Nichtchristen, alle eure Vorfahren gern herausgepilgert sind, um sich das anzuschauen. In der Regel mit Picknickkorb.
Im Laufe des 14. Jahrhunderts schwand der Einfluss der Inquisition und auch Häresie wurde Bestandteil der sehr viel grausamer verfahrenden weltlichen Justiz.
Nur gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurde die Inquisition nochmals aktiv, und zwar gegen die Waldenser. Zur physischen Ausrottung der Waldenser ist es nicht gekommen. Es gibt sie heute noch.
1542 wurde die so genannte Römische Inquisition gegründet, deren Ziel der Kampf gegen den Protestantismus war. Für deren Verfahren gab es eine strenge Reglementierung: der Angeklagte hatte das Recht, die Anklageschrift zu kennen sowie einen Verteidiger hinzuzuziehen, war der Delinquent mittellos, wurde der Verteidiger bezahlt. Es gab ganze Strafkataloge, von leicht bis schwer: Galeerenstrafe, Haft in einem Gefängnis (angenehm oder unangenehm, je nach Schwere des Falles) oder einem Kloster, Hausarrest und natürlich die Todesstrafe. Die Zahl der verhängten Todesstrafen ist für genau bekannt: zwischen 1542 und 1761 (219 Jahre) wurden 97 Verurteilte hingerichtet. Das sind etwas weniger als die vielfach behaupteten 6 bis 9 Mio. Opfer der Inquisition.
Was übrigens die gern in diesem Zusammenhang genannten Hexenprozesse angeht, so waren sie nicht Angelegenheit der Inquisition sondern der weltlichen Gerichte, was Beteiligung kirchlicher Autoritäten im Einzelfall nicht ausschließt. Das soll hier genügen – es ist kein Thema der katholischen Kirche.
Die Inquisition wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgeschafft. Ihre im 13. Jahrhundert festgelegte Rechtspraxis wurde 1848/49 in die deutschen Verfassungen aufgenommen.
Die Inquisition dürfte mit den Grundlagen des Christentums und natürlich mit den Menschenrechtsvorstellungen der Moderne nicht zu vereinbaren sein. Um allerdings bei jeder Kritik am Islam auf sie zu verweisen, um dessen aktuelle Menschenrechtsverstöße zu relativieren, eignet sie sich nicht.
Arno Borst, Leben im Mittelalter
Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt
Manfred Lütz, Der blockerte Riese
u.a.
gesamter Thread:
- Weiter geht's: die Inquisition -
Divara,
01.05.2015, 18:24
- Weiter geht's: die Inquisition -
ecc,
01.05.2015, 23:36
- Weiter geht's: die Inquisition -
udosefiroth,
02.05.2015, 11:37
- Weiter geht's: die Inquisition -
Divara,
02.05.2015, 15:04
- Weiter geht's: die Inquisition - Albert Schweizer, 02.05.2015, 18:38
- Weiter geht's: die Inquisition - Albert Schweizer, 02.05.2015, 18:30
- Weiter geht's: die Inquisition -
Divara,
02.05.2015, 15:04
- Weiter geht's: die Inquisition -
udosefiroth,
02.05.2015, 11:37
- Weiter geht's: die Inquisition -
ecc,
01.05.2015, 23:36