Redundanz-Fred für den Jörg-Lau-Blog

Boothby, Montag, 02. November 2020, 20:50 (vor 1647 Tagen) @ NN

Er fing dagegen irgendwann an, den Kommilitonen nicht mehr zu erwähnen, als es zu drastisch/explizit wurde. Das meine ich ja: Diese Mischung ist entweder so brutal doof wie ein Bredowo mit Abitur, der dann aber ständig auf Bürgerlichkeit insistiert, oder einfach zu hoch für mich.


Oder sagen wir es mal so: Wenn es brutal doofe linksradikale Akademiker und Dozenten* gibt, existiert außerhalb eines kommunistischen Systems kein Grund dafür, davon auszugehen, dass kein Pendant dafür deutlich rechts von der Mitte gibt. Auch dann, wenn (zumindest) in Deutschland Ersteres häufiger auftritt als Letzteres.

Ich will linksdoofe Akademiker keineswegs entlasten, aber der Aufwand, der hier betrieben wird, um sich einen wenn auch illusionären theoretischen Unterbau zurecht zu tackern findet auf der rechtslastigen Seite eigentlich wenig Entsprechung. Man ist schnell mit Carl-Schmitt-Bezügen bei der Hand, aber schon bei Jünger wird es eher erbaulich-esoterisch*. Man muss sich nur mal diesen Pseudo-Schrott bei Antaios reinziehen.

Dementsprechend hat MRX ja auch eine tiefliegende anti-akademische vulgo anti-elitistische Haltung an den Tag gelegt, etwa, wenn er unterstellte, die berliner Intelligentsia würde Bosbach die ordinäre Kaufmannslehre niemals verzeihen.

* In Das Spinoza-Problem von Irvin Yalom umschreibt selbiger fiktiv-gewitzt, wie Alfred Rosenberg eine gewisse elitäre Verachtung für das Nazi-Establishment empfindet und sich trotz polytechnischen Bildungsnachteils daran macht, die Original-Bibliothek Spinozas in einem Akt intellektueller Selbstadelung zu bekommen im Sinne von: Zu vereinnahmen. In einer abschließenden Pointe, mit den Schwarten in der Hand, wird ihm erst ganz zum Schluss klar, dass diese in Sprachen verfasst sind, denen er nicht kundig ist. Aber ungebrochenerweise will er seine gedankliche Klarheit zu allerletzt damit unter Beweis stellen, als einziger der Nürnberger Hauptangeklagten auf schuldig plädiert zu haben.

Und gerade Bürgerlichkeit / eine bürgerliche Existenz hat nie und nirgends Immunität gegen Radikalismus impliziert. Das galt übrigens längere Zeit auch für Islamistens. So waren die Muslimbrüder und Dschihadisten der 70er, 80er und 90er (hier gibt es einige empirisch gestützte Studien) fast durchweg Kinder der Mittel- und Oberschicht (Ägypten, Golfstaaten). Die Arbeiter und die Armen haben da kaum mitgemacht (wie auch beim Linksextremismus im Europa der 70er und 80er, obwohl sie ja gerade sollten!). Der kleinkriminelle Gangstarapper, der zum penetranten Frömmler oder zum Dschihadisten mutiert, ist im Wesentlichen ein Produkt des IS.

Entsprechende Hinweise darauf in früheren Jahren waren tatsächlich überaus instruktiv, ich hatte die Hintergründe der Attentäter zunächst eher am Rande notiert und die Relevanz unterschätzt. Aber der Bredowo-Bezug war ernstgemeint: Trotz aller Bildungsbürgerlichkeit, die MRX gern zur Schau gestellt hat, hatte sein Bratz immer etwas prollhaftes. Ein Bemühen, anderen irgendwie mitzuteilen, wie man als erwachsene Person solchem Schwurbel zugeneigt sein kann, war nicht zu erkennen. MEn war das eine Entwicklung, in der Frühzeit hatte er durchaus versucht (und das mitunter sehr gekonnt), andere debattenmäßig auf die Planke zu schicken. Rückblickend würde ich auch immer noch sagen, dass er die Kunst des whataboutism genial verinnerlicht hatte. Später war ihm das zu aufwendig.

** 2020 ist zwar ein ziemliches Seuchenjahr, aber man stelle sich die häufig verklärten 70er-Jahre (weil die Verklärer damals noch junge / jüngere Erwachsene waren) mal mit Social Media vor. Es wäre eine wahre Hölle gewesen.

Mir wird kalt, alles verschwimmt, ich kann meine Beine nicht mehr spüren...


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