Arnold Gehlen { 1904 - 1976 }

Schlemiel, Donnerstag, 12. Mai 2016, 11:18 (vor 3288 Tagen) @ NN

Gehlen ist in seinem, sagen wir mal pragmatischer Menschheitsbeschreibung dem Herrn Rousseau nicht unähnlich. Doch wo die Schweizer Aufklärung in ihrer Misantropie die Kraft des Individuums synthetisiert, sehen deutsche - auch und vor allem linksintellektuelle - Analytiker die Erlösung in einer zentralen Autokratie, die den Pöbel zusammenhält. Der «starke Staat» wird als Modell propagiert, wo Sicherheit und Zwang den Einzelnen in seinem Wirken frei werden lässt.

Das Problem liegt in der Fortschrittsfeindlichkeit dieser Auffassung. Das Bestehende wird perfektioniert. Doch die Innovationskraft ist schwach. Die (schlussendlich) amerikanische Auffassung widerspricht dem diametral: Das Inidividuum, der rousseausche «Naturmensch» in seinem Bestreben, immer wieder Neues zu schaffen (und auch daran zu scheitern) wird zum Ideal. Der Staat ist bloss nebensächliches Beigemüse, das verhindert, dass sich der Pöbel gegenseitig niederwalzt. Doch nicht die Zugehörigkeit zu einem starken, aber zäh funktionierenden Kollektiv zählt, sondern das «Streben nach Erfüllung (des Einzelnen)». Der europäische, vermeintliche Kampf zwischen Linken und Rechten ist soweit irrelevant (Nationalsozialismus gegen Nationalen Sozialismus (Zone)), sie erinnert in ihrer geheuchelten, systembejahenden Vordergründigkeit an rechtskonservative Katholiken, die sich über Gewaltexzesse von Muslimen ereifern. Insoweit stehen sich Gehlen und z.B. die Baader Meinhoff Truppe näher, als es beiden wohl lieb ist. Die Verkennung der Freiheit ist in diesem «Systemkampf» derselbe. Leider gibt es in Europa (ausser der Schweiz) kaum politische Kräfte, die sich von dieser «Umarmung» befreien konnten.



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