storie del paradiso

Divara @, Dienstag, 23. September 2014, 10:36 (vor 3887 Tagen) @ Divara

Also kommen wir zum eigentlichen Thema.
Eines Abends schlenderte ich mal wieder zu den scaline, der Treppe, es war nicht viel los. Nur Anne-Marie war da, und sie saß neben zwei Typen, die ich nicht kannte. Sie winkte und ich ging zu den Dreien, stellte mich kurz vor, und Anne-Marie informierte mich in aller Kürze auf Französisch: Ils sont sympas, mais c’est des pauv‘ gars: ce sont des Palestiniens.
Ich setzte mich also dazu. Es folgten traurige Geschichten von Krieg, Flucht und Vertreibung, auseinandergerissenen Familien, Flüchtlingslagern und Exil. Das alles fiel bei mir auf noch fruchtbareren Boden als bei Anne-Marie, denn das alles kannte ich ja noch (die allerletzte Hütte verschwand bei uns nach der Jahrtausendwende), und die Erfahrung hatte eine Auffrischung beim Anblick der Zeltstädte auf Zypern bekommen, von denen allerdings niemand sprach.

Wir waren also voller Mitgefühl, hörten uns die Geschichten an, und als mal jemand von unserer Gang auftauchte, winkten wir ihnen nur zu und blieben erschüttert sitzen wo wir waren. An diesem Abend gingen wir früher schlafen als sonst. Tat auch mal gut.
Nächster Abend. Sie waren wieder da. Wir Anne-Marie und ich setzten uns zu ihnen und blieben auch dort, als nach und nach unsere Freunde eintrudelten und in einiger Entfernung Platz nahmen. Es wurde wieder ein sehr trauriger Abend. Natürlich hatten wir auch vorher schon gewusst, dass die Israelis alles falsch und die Araber alles richtig machten, aber dass es so arg schlimm war, das hätten wir nun doch nicht gedacht. Was man in Perugia nicht alles lernt.

Am dritten Abend dieser Geschichte waren unsere Freunde komplett zuerst da. Wir waren wieder vereint. Die zwei unglücklichen Flüchtlinge kamen etwas später, und Anne-Marie und ich gingen zu ihnen: Kommt doch rüber zu uns, wir haben Wein dabei, ihr seid eingeladen. Nein nein, sie schüttelten gramvoll das Haupt. Sie könnten nicht, es sei ja alles viel zu traurig, so viel Heimweh.
OK, sagt die robuste Anne-Marie, dann nicht. Und wir kehrten zu unseren Freunden zurück, die uns mit strahlendem Lächeln empfingen. Und ausgerechnet Lamia, die Tunesierin, drehte die Augen zum Himmel und sagte erleichtert: Vous avez enfin compris? (in etwa: Habt ihr’s endlich kapiert?)

Als wir später nach Hause gingen, meinte Anne-Marie noch: Tolles Exil. Ich würde eigentlich auch ganz gern in Perugia studieren, aber mir bezahlt das keiner.
Der Gedanke war mir zwischendurch auch schon gekommen.


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum