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Bassam Tibi

Alex @, Montag, 18. Juli 2016, 20:53 (vor 3220 Tagen) @ jana

Tibi sagt in Bazonline:
"Ich beobachte, dass die Deutschen unausgeglichen sind. Entweder sie sind für etwas oder dagegen. Ein Mittelmass gibt es nicht. Das sage aber nicht nur ich. "

Genau, ich sage das auch und das macht mir die Deutschen, seit Anfang dieses Jahrtausends, immer fremder.

Ich weiß nicht, ob die Deutschen so sind.


Nun, ich meine schon, dass sie extremistischer als andere Völker sind. Ich war jetzt einen Monat in Prag, meiner Geburtsstadt, und hörte dort immer wieder diese Meinung. Und da ich Abstand (durch die räumliche Abwesenheit ) gewann, empfand ich das auch so, dh noch stärker als sonst. Wie kann man sonst "Lösungen", die unmöglich funktionieren können (zB offene Grenzen oder Energiewende), mit der Losung "Wir schaffen das" herbei fantasieren? Übrigens hörte ich dort einen Spruch, der das ziemlich gut trifft:
Die Deutschen machen keine kleinen Fehler.

Ist auch leicht zu sagen aus der Perspektive eines kleinen Landes.
Tschechien hat 10 Mill., die Schweiz sogar nur 8.
Das ist in D Bundeslandniveau.
Da bleiben Schäden überschaubarer...:-D
Dass die Umsetzung einer unkontrollierten Einwanderung in ein Wohlfahrtssystem mehr als eine Tücke hat, war wohl klar.
Trotzdem hat (nicht nur) Merkel sich darauf eingelassen.
Die Gründe dafür sind für mich nach wie vor nicht klar. Nur aus Mitgefühl? Wohl kaum.
Und immer finstere Machenschaften dahinter zu vermuten ist jetzt auch nicht so richtig was für mich.;-)
"Wir schaffen das!" ist ein guter Promotion Gag, wenn es gelingt, ist es ein Husarenstück.
Wenn nicht, Europa hat eine Sündenziege für diesen Fall.
Was soll dann noch schiefgehen? :-D

Aber große Dinge müssen manchmal gewagt werden. Und über Langeweile können wir uns nicht gerade beklagen in diesen mobilen Zeiten. Abschotten ist da keine Alternative, eher offensiv werden. In jeder Hinsicht.
Den Bösen Angst machen. Streng nach Amerikanski-Prinzip, sprich freundlich, aber habe einen großen Stock in Deiner Hand...

> Mich stört eher dieses "Ja, aber...". Es fehlt doch eher an einem Ja oder einem Nein. Nur dann kann ich auch dem anderen zuhören. Was soll ich mit Leuten, die immer gerade die meinung dessen vertreten, mit dem sie reden?


Tun sie das? ... Ich weiß nicht, vllt. wird sich noch jemand anderer dazu äußern.

> Bassam Tibi ist eine merkwürdige Gestalt. Seine Bücher sind sehr gut und sehr informativ. Persönlicher Umgang mit ihm ist wohl ausgesprochen schwer. Er fühlt sich ständig angegriffen und verfolgt, klagt, jammert, will weggehen und tut es nicht und ist wirklich unausgeglichen.

Ich kenne ihn nur aus aufgeschriebenen Interviews, da ich keinen Fénsé hab. Glaube aber auch, dass der persönliche Umgang mit ihm nicht einfach ist. Beleidigte Leberwurst. Weil es aber so wenige konsequente Islam- oder Moslemkritiker gibt, kann man ihm das durchgehen lassen, finde ich. Einfach nicht beachten, diesen Teil seiner Persönlichkeit ...


Hamed Abdel-Samad hat sich wie folgt geäußert:


"Was ich am interessantesten am Putsch in der Türkei fand, waren die Reaktionen in der arabischen Welt. Viele Araber verfolgten die Ereignisse wie ein spannendes Fußballspiel zwischen Atatürk und Erdogan. Dieses Spiel war ein Stellvertreterkampf zwischen den unterschiedlichen Kontrahenten in der Region: Die Anhänger al-Sissis gegen die Muslimbrüder; Assad gegen seine Gegner; Liberale gegen Konservative, Saudi Arabien gegen alle. Witzig ist: Alle hielten sich für aufrichtige Demokraten, obwohl die meisten von ihnen sich äußerten wie britische Hooligans nach einem verlorenen Spiel.
Allein das zeigt die Krise der Demokratie in unserer Region. Das hat zwei Gründe, die historisch mit der arabisch-islamischen Identität verbunden sind: die Idee des gerechten Kalifs, die mit dem Islam geboren war; und die Idee der Loyalität zum Stammesführer, die vor dem Islam da war und nach dem Islam immer noch das politische Geschehen mitbestimmt.
Deshalb wechselt das Herrschaftssystem in den meisten arabischen Staaten ständig zwischen dem islamischen Faschismus und dem beduinischen Stalinismus. Da beide militant sind, verzichte ich darauf, den Militarismus als eine dritte Kategorie zu nennen. Beide sind nur die Kehrseite der Medaille des anderen Systems. Beide stärken sich gegenseitig durch diese unendliche Polarisierung den Rücken. Beide setzen auf den Erlöser von Gottes Gnaden oder von Gnaden des Panzers. Beide sind nur oberflächlich Feinde, denn sie sind sich einig, dass das Individuum nichts wert und das die Vielfalt eine Gefahr für den Zusammenhalt des Staates ist!
Demokratie ist aber kein Fußballspiel, wo das Volk nur zuschaut, sondern, eine Werkstatt, wo alle arbeiten sollen. Dort wird gehämmert, gebrannt und geschweißt. Es ist oft heiß und es stinkt zum Himmel. Man braucht Ausdauer, gutes Timing und vor allem das richtige Material. Man muss zum richtigen Zeitpunkt zuschlagen, damit das Endprodukt nicht entstellt wird.
Aber auch in Europa beobachte ich den (Wieder)Aufstieg der Idee des Erlösers. Auch da entwickelt sich die Demokratie langsam zu einem Fußballspiel, das eher ein Ausdruck von Identitätsunsicherheit ist. Dort weiß man oft wogegen man ist aber selten wofür man steht. Brexit, Minarett-Verbot-Initiative, Stuttgart 21, AFD und Pegida sind da nur Beispiele. Aber auch die etablierten Parteien werden zunehmend gelähmter und fantasieloser. Es geht nicht darum, etwas Neues in der Wirkstatt zu schaffen, sondern darum, das alte Material zu behalten und zu verwalten. Doch die Werkstatt ist immer noch da, die Maschinen, das Wissen und viele fleißige Arbeiter auch. Man braucht aber Aufmerksamkeit und Geschick, damit die Ideologen durch ihr Spiel die Arbeit nicht stören oder gar die Werkstatt zum Stürz zu bringen!
"


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