rinkslechts

NN, Montag, 31. August 2015, 21:15 (vor 3543 Tagen) @ Alex


Der Punkt ist: Wenn der WDR-Redakteur, dessen gesamten Text/Beitrag wir nicht kennen, diesen Begriff benutzt, folgt daraus alles andere als zwingend, dass er dabei, wie du, (nur) Kanther und Wagner (die übrigens Vergangenheit sind) im Hinterkopf hat und dem öffentlich kaum noch erkennbaren rechten / konservativen Flügel der CDU/CSU einen mitgeben will. Dies könnte man ggf. zumal daran erkennen, in dem er konkrete Vergleiche mit deutschen Politikern vornehmen würde (was ich für unwahrscheinlich halte). Und ob er hier (eher) verniedlicht oder nicht, hängt nicht von der Verwendung eines einzelnen Begriffs in Bezug auf Erdogan ab, sondern mehr davon, was er ansonsten noch über Erdogan sagt.

Abgesehen davon verhält es sich natürlich so, dass politische Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Ländern, die man als rechtskonservativ bezeichnen kann (nicht: muss), ein teilweise unterschiedliches, länder- und/oder kulturspezifisches Gepräge haben bzw. sich auf bestimmten Politikfeldern unterscheiden.

So liegt etwa dem rechten Flügel der amerikanischen Republikaner i.d.R. sehr wenig an ökonomischen Regulierungen oder Wohlfahrtsstaatlichkeit.

Aber wir würden, eingedenk allen Amerika-Bashings, wiederum nicht behaupten, dass alles, was da kreucht und fleucht keine autoritären Züge hätte und/oder "moderat religiös" sei.

Was, wenn man so will, Rechtskonservative aller Länder gemeinsam haben, ist eine enge Orientierung an Nation, Tradition bzw. Traditionalismus und/oder Religion sowie einem mehr oder weniger autoritärem Staat. Entsprechend ist das politische Rechts/Links-Schema auch übergreifend anwendbar.

Was nicht heißen soll, dass man rinks und lechts nicht velwechsern kann (Divara im Betreff: rinkslechts). Ein spezifisch linkes Politik-Element ist jedoch bei Erdogan kaum auszumachen, man müsste es wohl am Kopftuch herbeiziehen.


Okay, das sehe ich durchaus ähnlich.
Aber was das linke Element bei Erdogan und Konsorten betrifft:

https://www.youtube.com/watch?v=NzkV0ONYf94

Der Islam in seiner Verfasstheit postuliert eine Wirtschaftsethik, die große Schnittmengen mit der Linken hat.
Was davon real ist oder nur Augenwischerei, ist ein anderes Thema.


Erstens das. Besteht Islamic Banking im Wesentlichen doch a) in der Umgehung des Zinsverbots (mit Gewinn für den Kreditgeber oder den Anleger) und b) in der Bereitstellung islamkonformer Anlageprodukte, analog etwa zu westlichen Ethik-Fonds.

(Die deutsch-ökigen Superschwachköpfe von Kleinanlegern, die in Genussrechte von Prokon investiert haben, wären wohl noch mit jedem Ethik-Fonds - inklusive Gebühren - deutlich besser gefahren. Dabei wurde vor dem riskanten Geschäftsmodell u.a. von Stiftung Finanztest schon gewarnt als es noch gut lief. Und mehr noch: Etliche Prokon-Anleger haben eine einfache Grundregel in den Wind geschossen und nicht diversifiziert, d.h. ihr gesamtes Sparkapital auf ein Pferd gesetzt - obwohl sogar in einem dieser Prokon-Prospekte drin stand, dass man nicht sein gesamtes Sparkapital in Prokon-Genussrechte investieren solle.)


Zweitens besteht, wenn wir von Erdogan reden, der Großteil des Bankensektors in der Türkei nicht aus Islamic Banking. Inwieweit das AKP-Regime Islamic Banking in der Türkei pusht, kann ich momentan nicht beurteilen.

Drittens ist Islamic Banking einerseits nicht notwendigerweise dysfunktional, bietet aber andererseits eben nicht das "alternative Wirtschaften"*, von dem Kulturzeit-Redakteure träumen, die in Sachen Wirtschaft & Finanzmarkt ungefähr so kompetent sind wie Yogalehrer im Rallyesport. (Es sei denn, man zieht die Rallye-Kompetenz des Yogalehrers am Kopftuch herbei, in dem man darauf hinweist, dass ein Yogalehrer bestimmt schon einem rückenkranken Rallyefahrer behilflich war.)

Deshalb fungiert die Obskurantistin Loretta Napoleoni bei der Kulturzeit nicht nur als "weltbekannte Terrorexpertin", sondern nun auch als Wirtschaftsexpertin.

Vor allem aber denke ich nicht, dass "Islamic Banking" dadurch ein linkes Gepräge bekommt.


* So sind z.B. Blasen alles andere als ausgeschlossen:

http://www.taz.de/!5085179/

(Ebenso wenig sind neben Aktien, die Kulturzeit-Redakteure wahrscheinlich schon für Teufelswerk halten, die meisten abgeleiteten Finanzprodukte, bei denen sich Kulturzeit-Redakteuren die Fußnägel aufrollen, verboten. Hier kommt es - offiziell - darauf an, zu welchem Zweck sie gemacht werden. Aber Kulturzeit-Redakteure sind solche finanztechnischen Analphabeten, dass sie ihr Leben lang nicht wissen werden, dass jene Währungstermingeschäfte, die Deutschlands allergrößter Sünder, Uli Hoeneß, gemacht hat, für viele exportorientierte Mittelständler zwecks Absicherung gegen Währungsschwankungen zum Alltagsgeschäft gehören.)


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