Kantholz des Jahres

0blomow, Donnerstag, 14. April 2016, 04:54 (vor 3316 Tagen) @ Final Cut


Mal abgesehen davon, was man von Böhmermann hält, als Mensch, als Ansager (vulgo Moderator) oder auch als Komödiant, so läuft doch nun eine staunenswerte Kettenreaktion ab, deren mögliches Ende er bei der Initialzündung nicht erwartet, geschweige denn geplant haben kann. Natürlich wollte er provozieren, etwas auslösen und natürlich war die Erstaustrahlung mit dem Sender abgestimmt. Der bekam aber dann recht schnell kalte Füße und nahm umgehend den Beitrag aus der Mediathek. Doch eher nicht deswegen, weil ihm plötzlich eingefallen ist, dass Schmähkritik grundsätzlich, besonders in der Form, nicht von der “Pressefreiheit“ abgedeckt ist, sondern, weil er dann doch irgendwie Erdogans zweiten Zugriffsversuch auf die deutsche Pressefreiheit geahnt haben muss. Bei Erdogans erstem ging es um den Gassenhauer „Erdowie, Erdowo, Erdogan“

Ich weiß gar nicht Alex, ob Du mal daran gedacht hast, was Frau Merkel da schon durchstehen musste, bevor sie irgendwie mitschunkeln konnte, um an vorderster Front unsere Pressefreiheit vor Erdogan zu schützen. Sie durfte doch auf keinen Fall ihren Flüchtlings-Deal mit Erdogan gefährden, schließlich muss Erdogan ja seine Umsiedlungspläne (auch Kurden-Rochade genannt)finanzieren können.

http://www.heise.de/tp/artikel/47/47815/1.html

(…) Durch die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung und der geplanten Ansiedlung tausender sunnitischer syrischer Flüchtlinge soll die Demographie in den kurdischen Gebieten massiv verändert werden. (…)
Und nun auch noch dieser Böhmermann.

http://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Boehmermann-entlarvt-das-Scheitern-...


Werter FC, ich kannte Böhmermann gar nicht. Dennoch war ich wirklich zufälligerweise "Zeuge" der Erstausstrahlung. Im Hintergrund dudelte das infantile TV-Programm, als ich am PC saß und bei ebay-Sofortkauf ein Relais für 3,75 und 4,-€ Porto erwarb. Als das Publikum trampelte, im wahrsten Sinne "sich beölte", klatsche: Standing ovations, dachte ich nur: "Oh Gott, wohin führst Du die Welt. Die absolute Verblödung ist nicht aufzuhalten!" Sie, werter Cut, mögen mich wegen meiner Äußerung für ein arrogantes Arschloch halten, aber ich konnte es nicht glauben. Platt und gänzlich ohne Konjunktiv betitelte Böhmermann Erdogan als "Ziegenfi..er, Pädophilen und auch noch als Homosexuellen" - und die blöden Massen waren vor Begeisterung am Ausflippen.

Tun wir nicht liberaler und abgehärteter, als wir inzwischen sind. Auch wir würden uns irgendwie wehren, würde jemand uns diese Attribute zuordnen. In einem Rechtstaat müsste das auch jedermann möglich sein. Da die Würde des Menschen im GG geschützt wird, gilt das für jeden, also auch für Nicht-Inländer. (( Die nicht mehr zeitgemäße Majestätsbeleidigung ( und die auswärtiger Staatsoberhäupter ) lasse ich mal weg. Sie verstärkt ohnehin nur die für alle geltende Norm.)

Die Verknüpfung der Beleidigung mit der Politik Erdogans halte ich nicht für zulässig. Auch wenn Sie, Hr.Cut, vermuten, dass seitens des türkischen Präsidenten eine Verknüpfung fast zwangsläufig hergestellt wird. Das kann schon sein. Man sollte sich aber nicht darauf einlassen, will man den Eindruck eines "Deals" vermeiden.
Kollege HAL hätte, instinktiv richtig, die Flüchtlingspolitik als die eine Baustelle, das Recht auf Würde als die zweite bezeichnet.
Nach dem genialen Einwurf hätte er sich jedoch abgemeldet. ;-)

Unerheblich empfinde ich in diesem Zusammenhang die Meinung unserer Kanzlerin gegenüber Erdogan, dass sie zwar den Beitrag Böhmermanns nicht goutiere, die Pressefreiheit und die Freiheit der Kunst und der Satire für ein hohes Gut in der BRD hält. Die persönliche Meinung der Kanzlerin kann man gut teilen. ( Sie dürfte aber für den Fortgang sich als unerheblich erweisen. Manche Juristen sehen das anders. Sie verkennen jedoch, dass die Meinungsäußerung nicht den Stellenwert einer Vorprüfung haben kann.

Liest man die verlinkten Seiten, die zum Teil auch Rechtswürdigungen enthalten, kommt man m.E. sehr schnell zu dem Ergebnis, dass Böhmermanns 'Satire' keine solche sein kann, sondern "Schmähkritik". Sie erfüllt den Tatbestand der Beleidigung. Und in einem Rechtstaat muß es - wie oben gesagt - jedermann ermöglicht sein, dagegen vorzugehen.
Wir sollten uns nicht einreden lassen, eine Verurteilung Böhmermanns sei ein Entgegenkommen für die Türkei. Es geht ums Recht und es geht um die Person Erdogan.
ich habe keine Sorge, dass ein ordentlicher ( bundesrepublikanischer ) Richter Böhmermann zu einer 4-oder 5stelligen Geldstrafe verdonnern muss. Und ihm natürlich zu untersagen hat, den Schmähtext zu wiederholen oder den alten zu verbreiten.

Ich sehe keine andere Möglichkeit. Und freue mich darauf.
Und ärgere mich über die Schauspieler, die Solidaritätslisten für Böhmermann unterschreiben, als würde der Rechtstaat und die Meinungsfreiheit in D untergehen.
Das Gegenteil ist indes der Fall: Dem türk.Präsidenten hat der Rechtstaat das ihm zustehende Recht zu verschaffen.
Unabhängig von der Person und unabhängig, ob wir Erdogan mögen oder verachten.

Natürlich bin ich auch subjektiv und einseitig, so dass ich schon vor Jahren nicht darüber lachen konnte, wenn der Papst als Inkontinenter auf der Titelseite der Titanic dargestellt wurde. Was "um Himmels Willen" ;-) wollte uns der "Künstler" damit sagen? Ich weiß es bis heute nicht, was daran lustig sein könnte, wenn ein alter Mann das Wasser nicht mehr halten kann? Ich liebe Satire, wenn sie Esprit und eine wie auch immer geartete Ästhetik in der bildlichen Darstellung enthält.
Insofern geht es auch um die (( Vorsicht: O-Ton Alex, 2013 )) Verluderung unserer Kultur, wenn Satire platt wird. Und nur Spaß darin findet, andere zu beleidigen, zu diffamieren.

Zur Flüchtlingspolitik:
Ohne faulen Kompromiss werden wir dann sehen, ob Erdogan die drei bis sieben Milliarden für die Unterbringung der Flüchtlinge haben möchte oder nicht. Im letzteren Falle müsste die EU die Außengrenzen selbst bewachen. Und vielleicht nimmt sie dann endlich die Milliarden in die Hand, um die zerstörten - - und inzwischen befreiten -- Städte wieder aufzubauen.
Also: So traurig muß man nicht sein, wenn Erdogan die Zuwendung verschmäht....... dann werden Vorhaben vielleicht konstruktiv. Auf letzteres, nämlich für die Syrer eine Perspektive zum Bleiben zu eröffnen, hoffen wir doch seit Monaten. Die ( unmäßige ) Unterbringung in den Camps der Türkei ist doch eh nur die drittbeste Lösung. Und nicht für die Ewigkeit.

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@imagine,
Mit welchen Baukosten müsste man "da unten" rechnen, wollte man zwei- und dreigeschossige Gebäude im einfachen Standard herstellen, zwischen 500.- und 800.- $/qm ? Eher 500 $, oder?
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