Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen»
Das ist so richtig. Der Lohndruck von Auslaendern, die fuern Apfel und en Ei schuften, nennt man Lohndumping. Gleichzeitig schiessen die Mieten in die Hoehe, auch weil die Baugesetze in der Schweiz viel komplizierter und demokratischer gehandhabt werden als in der BRD. Fazit: Die Loehne sinken, die Mieten steigen.
«Unwohlsein» als Argument gegen Auslaender lasse ich aber schlicht nicht gelten. Oekonomische Gruende gibt es zuhauf. Aber ein «gefuehltes Fremdsein im eigenen Land» ist einfach braungeschissener Bloedsinn. Wer so argumentiert, verkennt die wahren Probleme und hat einen Schaden an der Latte.
Wobei die ökonomischen Gründe naher besehen Quark sind. Ohne die ausländischen Arbeitskräfte wäre der Faktor Arbeit in der Schweiz ungleich teurer. Was auch Schweizer Waren und Dienstleistungen verteuern würde. Wovon Schweizer Unternehmen und Schweizer nichts hätten, zumal im Export.
Eine vordergruendig stringente Argumentation. Ist aber falsch. Denn das durch Auslaender einbehaltene Geld kommt ja nicht den Arbeitnehmern, sondern alleine den Arbeitgebern zugute. Und wer glaubt, diese Kaste wuerde noch jeden erwirtschafteten Rappen ins eigene Unternehmen stecken, traeumt auch noch vom Storch. Siehe auch hier:http://www.blick.ch/news/politik/schneider-ammann-muss-sofort-zuruecktreten-id2646184.html
Ich möchte nun Schweizer Unternehmer nicht zu mildtätigen, uneigennützigen Spendern verklären, aber wat soll jetzt das "durch Ausländer einbehaltene Geld" sein? Die Lohnsumme (insgesamt), die Schweizer Unternehmen bezahlen müssen, damit sie ihren Bedarf an Arbeitskräften decken können - und den können viele nur auch mit Ausländern decken -, wird durch die ausländischen Arbeitnehmer insgesamt eben nicht geringer sein.
Umgekehrt: Wenn Schweizer Unternehmen in einem erheblich geringeren Maße auf ausländische Arbeitskräfte zugreifen könnten, würden einige Schweizer (zumindest für eine Weile) mehr verdienen, weil die Nachfrage nach Arbeitskräften höher und damit teurer wäre. Daraus folgte aber mehrerlei: 1. Die Lohnsummen in den Unternehmen blieben konstant oder bzw. und würden steigen. 2. Dort wo sie steigen, man produzierte ja teurer, würden sie auf die Preise für Waren und Dienstleitungen umgelegt (sowohl im Inland als auch für den Export). 3. Viele Schweizer Unternehmen könnten so nicht wachsen und könnten so auch nicht für eingeborene Schweizer Arbeitsplätze schaffen. Vereinfacht gesagt: Wenn der Bäcker drei angestellte Bäcker hat, dann macht er nur dann einen zweiten Laden auf, wenn er für die weiteren Angestellten nicht 50% mehr Lohn bezahlen. Aufwand und Ertrag stünden in einem Missverhältnis.
Wobei das vereinfachte Beispiel den Export bzw. die Probleme mit dem Export nicht abdeckt: Inländische Konsumenten mögen höhere Preise für heimische Waren und Dienstleistungen nur bedingt und in geringerem Maße umgehen können. Ausländische Nachfrager von Schweizer Waren und Dienstleistungen schon eher.
Abgesehen davon konsumieren auch ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz. (Meinetwegen können sie jetzt sagen, dass die euten* darunter sämtlich geizig seien.)
Und weiter unten stellen Sie ja schon selber auf heimische Dienstleistungen ab, die schweineteuer seien: Ohne die tatsächliche und/oder vermeintlich billigeren Ausländer wäre in der Schweiz vieles noch schweineteurer.
Zu der gewissen Arbeitsplatzkonkurrenz durch Ausländer sei noch folgendes gesagt:
1. Ein (deutscher) Freund von mir arbeitet für ein naja...mehr oder weniger Schweizer Unternehmen. Der Großteil seiner Kollegen sind Schweizer, er lebt in der Schweiz. Die Mitbewerber auf den guten Job waren nicht alle Schweizer. Möglicherweise (d.h.: es muss noch nicht mal so gewesen sein) hat ein Schweizer Mitbewerber auf den Job dem Personaler zu verstehen gegeben, dass er den Job für Summe X+ machen würde, und möglicherweise hat das Unternehmen dem besagten Freund deshalb den Zuschlag gegeben, weil er den Job "nur" für Summe X (ohne +) macht.
Wenn wir nun annehmen, dass es so war, dann folgt daraus aber zweierlei: 1. Der Schweizer Mitbewerber ist alles andere als arbeitslos und wird irgendwo anders X+ bekommen haben, denn sonst hätte er ja nicht zu verstehen gegeben, dass er den Job für X+ macht.
2. Der Freund wiederum arbeitet jetzt schon eine Weile in dem Unternehmen und lebt jetzt schon eine Weile in der Schweiz. Daher kennt er seinen Marktwert inzwischen genauer. Soweit er für das Unternehmen anfänglich etwas preiswerter war, ist er es mittlerweile nicht mehr.
3. Arbeitsplatzkonkurrenz kann auch bedeuten, dass ein Ausländer, der besser qualifiziert ist, den Job macht, den andernfalls ein schlechter qualifizierter Inländer macht. Der Ausländer muss nicht einfach billiger sein.
Lange Rede, kurzer Sinn: Gemessen an der Argumentation, die Sie oben aufmachen, hätten Sie für die Initiative stimmen müssen.
Zusätzlich gibt es in der Schweiz Jobs, die etwa von Portugiesen oder Albanern erledigt werden, die im Prinzip kaum ein Schweizer macht bzw. machen will.
Genau. Wie in der «BRD» auch.
"Unwohlsein" ist offenbar ein Faktor, der sich am besten an Ausländern fest machen lässt. Dahinter steckt meistens auch eine Aversion gegen Veränderungen bzw. tatsächliche oder vermeintliche Verluste, die nichts mit Ausländern zu tun haben. Wer sich aber darüber beklagt, dass sich die Erde auch in seinem dreht und irgendwie will, dass sein Dorf so bleibt wie es ist, macht sich wohl etwas lächerlicher.Und "Fremdsein im eigenen Land" ist zumal gemessen an Schweizer Maßstäben Kokolores. Traditions- und Identitätspflege sind in der Schweiz ja ohnehin recht ausgeprägt.
Koeppel bringt es auf den Punkt: «Die Schweiz ist eine Ansammlung von Minderheiten - jeder gehoert irgendeiner an. So ist denn der «Minderheitenschutz» in der Schweiz ueberproportional angelegt. Kaum ein Dorf, dessen Poststelle schweineteuer von den Zentren finanziert wird, nur um diesem urschweizerischen Phaenomen, dem harschen Drang nach Kompromiss und Harmonie, auch gehoerig Rechnung zu tragen. Aber wo nur Minderheiten, da keine Mehrheit. Und Minderheiten zeichnen sich auch dadurch aus, oefters von Verlustaengsten gepraegt zu sein.»Und es kommt hinzu: Schweizer sind im Vergleich die reichsten Flitzpiepen auf dem Erdenrund. Und wer viel hat, hat auch viel zu verlieren. In echt oder - mehrheitlich wohl - realiter in schlimmen Phantasien. Und die sprichwoertliche Liebe zum Geld, einem fast schon pathologischen Eros geschuldet, tut sein Weiteres.
Entsprechend haben auch die Gegner der Initiative typisch Schweizerisch argumentiert: Nämlich wahrscheinlich zu sehr ökonomisch, anstatt auch oder: mehr die Bedrohungs- und Verlustphantasien der Befürworter wenigstens zu relativieren und darauf hinzuweisen, dass die Ausländer nicht die Ursache von als unangenehm empfundenen Modernisierungserscheinungen sind. (Tante-Emma-Laden in einer schrumpfenden Gemeinde hat dicht gemacht, trotzdem ist der Durchgangsverkehr gestiegen etc.)
Im gegebenen Fall haben dann die Schweizer knapp obsiegt, die auf nicht-monetäre Werte abgestellt haben (Unabhängigkeit, gegen den EU-Moloch, weniger "Dichtestress" etc.) oder meinten, es sich locker leisten zu können, ggf. auf ein bisschen Kohle zu verzichten.
Wahrscheinlich war im Großen und Ganzen die Milchmädchenrechnung mit weniger Ausländern mehr Wohlstand bzw. einen höheren Lohn zu haben, gar nicht so ausschlaggebend.
* euten mit einem großen T am Anfang wird von der Software als Wort nicht mehr akzeptiert. Prangern Sie daher auch nordkoreanischen Humor an.
gesamter Thread:
- Schweiz: Too close to call -
Albert Schweizer,
09.02.2014, 14:05
- CH: Deutsche raus? -
Albert Schweizer,
09.02.2014, 16:44
- CH: Deutsche raus? -
Schlemiel,
10.02.2014, 16:14
- CH: Deutsche raus? -
NN,
10.02.2014, 18:59
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
Albert Schweizer,
10.02.2014, 22:37
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
NN,
10.02.2014, 23:39
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
Albert Schweizer,
11.02.2014, 00:15
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
NN,
11.02.2014, 14:28
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
Schlemiel,
11.02.2014, 18:55
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
NN,
13.02.2014, 14:36
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
Schlemiel,
17.02.2014, 17:29
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
NN,
18.02.2014, 12:51
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» - Schlemiel, 20.02.2014, 12:55
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
NN,
18.02.2014, 13:45
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» - Schlemiel, 20.02.2014, 12:57
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
NN,
18.02.2014, 12:51
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
Schlemiel,
17.02.2014, 17:29
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
NN,
13.02.2014, 14:36
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
Schlemiel,
11.02.2014, 18:55
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
NN,
11.02.2014, 14:28
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
Albert Schweizer,
11.02.2014, 00:15
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
NN,
10.02.2014, 23:39
- Spiegel: «Die selbstgerechten Deutschen» -
Albert Schweizer,
10.02.2014, 22:37
- CH: Deutsche raus? - udosefiroth, 10.02.2014, 19:00
- CH: Deutsche raus? -
NN,
10.02.2014, 19:23
- CH: Deutsche raus? -
Albert Schweizer,
10.02.2014, 22:40
- CH: Deutsche raus? -
NN,
10.02.2014, 23:56
- CH: Deutsche raus? - Albert Schweizer, 11.02.2014, 00:17
- CH: Deutsche raus? -
NN,
10.02.2014, 23:56
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Albert Schweizer,
10.02.2014, 22:40
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NN,
10.02.2014, 18:59
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NN,
10.02.2014, 21:38
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Albert Schweizer,
10.02.2014, 22:43
- CH: Deutsche raus? - NN, 10.02.2014, 23:58
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Albert Schweizer,
10.02.2014, 22:47
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11.02.2014, 00:08
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21.02.2014, 11:25
- CH: Deutsche raus (Nachtrag)? - Albert Schweizer, 21.02.2014, 11:28
- CH: Deutsche raus? -
Albert Schweizer,
21.02.2014, 11:25
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11.02.2014, 00:08
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10.02.2014, 16:14
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09.02.2014, 16:44