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Hier geht es zwar um Berliner Besonderheiten, aber eine (auch ganz ohne Flüchtlinge) weiter wachsende Hauptstadt mit einer Übernachfrage auf dem Immobilienmarkt ist dann doch mehr als eine deutsche Fußnote.
Daraus:
Da kommen wir nun zum wirklichen Klassenkampf in Kreuzberg. Es gibt da nämlich ein erfolgreich gestartetes Mietervolksbegehren, das die Insassen des Sozialwohnungsbaus angeregt haben, und das viele Unterschriften bekam. Die regierende SPD hat sich aus Angst vor einer Abstimmungsniederlage darauf eingelassen, und es wird demnächst phantastische Konditionen bieten: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften werden zusammengefasst und sollen satte 55% der Vermietungen an sozial schwächere Menschen geben, die einen Berechtigungsschein haben. Die Mieten werden ans Einkommen gekoppelt und, wenn nötig, vom Land bezuschusst. Niemand darf abgelehnt werden, weil er keinen Einkommensnachweis hat. Es gibt einen schlagkräftigen Mieterrat, und Zwangsräumungen werden erschwert. Für etwas unter 300.000 Wohnungen in Berlin gilt damit ein paradiesisches Sonderrecht. Und auf dass man soziale Notlagen nicht vergisst, muss jede fünfte Vermietung der 55% an besonders bedürftige Gruppen erfolgen. Flüchtlinge etwa. Das sind maximal rund 30.000 Wohnungen, die reserviert sind.
Natürlich jedoch sind diese Wohnungen nicht verfügbar. Es wohnen jetzt schon Leute drin. Was aktuell bleibt, sind diejenigen Bruchbuden, die Lehrstand haben, aber sogar ein Gigant wie die GEWOBAG hat momentan berlinweit nur 47 Wohnungen im Angebot. In Kreuzberg-Friedrichshain gar nur zwei. Das liegt daran, dass so gut wie niemand, der eine derartig begünstigte Wohnung hat, auszieht. Warum sollte man auch, bei solchen Bedingungen. In meiner herzlosen Heimatstadt im tiefsten Bayern hat man dagegen die sozialen Wohnungsbau brutal nach Wohnungen durchforstet, um sie Asylbewerbern zu geben, und räumte einen ganzen Block frei. Im Kaltland Hessen will man nun sogar eine Fehlbelegungsabgabe wieder einführen, die jene trifft, die wegen des zu hohen Einkommens mittlerweile unberechtigt von den Wohltaten des Staates profitieren. Das alles ist in diesem kalten Land möglich. So schafft man auch Finanzmittel für Flüchtlinge und eigenfinanzierten Wohnungsbau. Aber in Berlin wären solche Ideen sozialer Sprengstoff. Begünstigte Junglinke, die nach dem vergammelten Studium doch Geld verdienen, für die Solidargemeinschaft in die Verantwortung mit einbeziehen? Besserverdienende biofreudige Fehlbeleger rausekeln und Flüchtlinge einquartieren? Nicht in einem sozialen Wohnungsbau, in den jeder einziehen will und Randale und Volksbegehren macht, wenn ihm die Miete auf dem Niveau von Thüringer Waldgebieten nicht passt.Es kommt aber noch besser: Jede fünfte Wohnung aus diesem Kontingent geht eben nicht nur an Flüchtlinge, sondern pauschal an besonders bedürftige Gruppen. Flüchtlinge. Aber auch Langzeitarbeitslose, Obdachlose, Sozialfälle, Armutsmigranten aus Osteuropa oder wer immer sonst Probleme hat, regulär eine Wohnung zu finden. Davon gibt es in Berlin nicht ganz wenige. Und sie alle müssen sich um den Anteil schlagen, der ihnen gesetzlich zugewiesen wird. Ihr theoretisch vorhandener, praktisch jedoch belegter Anteil klang letztes Jahr vielleicht noch generös, aber Berlin ist heute so überlastet, dass es minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge nach Passau abschiebt und die Rechnung dafür nicht begleicht. Trotzdem schüttet die Stadt Milliardenwohltaten über die bestehenden Mietverhältnisse aus, verhindert Räumungen und erlaubt den Mietern viel Mitsprache. Um jede zehnte frei werdende Wohnung dürfen sich dann all diejenigen schlagen, die durch das soziale Raster fallen.
http://blogs.faz.net/stuetzen/2015/09/23/endlich-wieder-richtiger-klassenkampf-5613/
Das Geld geht ja nicht an die Flüchtlinge, sondern an die Halunken, die sich die momentane Situation zunutze machen. Kein urtümliches Berliner Problem. Unterschied: In Zürich werden solche Leute hinter Schloss und Riegel gebracht.http://www.nzz.ch/zuerich/aktuell/mietwucher-in-der-stadt-zuerich-ld.2628
Und Gutverdienende, die günstigen Wohnraum blockieren, werden rausgeworfen. Auch wenn es sich dabei um ein Mitglied des Parlaments handelt (und ja, Herr Leupi ist am Aufräumen, was man vernehmen darf):
http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2014-05/leupi-mimt-den-macher-die-weltwoche-ausgabe-05...
Ein Rezept für Berlin?
1. Miserable Zimmer zu Wucherpreisen werden in Berlin, soweit ich weiß, nicht an veritable Flüchtlinge vermietet, sondern vor allem an Personen aus Rumänien und Bulgarien, die in Berlin (noch?) keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Die Sache ist aber wohl (noch?) kein Massenphänomen.
2. Die Einführung einer Fehlbelegungsabgabe in Berlin würde zumal im Zuge des stark gestiegenen Zuzugs von Flüchtlingen Sinn machen, würde aber ggf. wahrscheinlich keine gut verdienenden Politiker betreffen, sondern Personen mit einem mehr oder weniger durchschnittlichen Einkommen, die eine städtische Vergünstigung mitnehmen. Das Geschrei wäre wohl groß. Entsprechend glaube ich erst an eine Fehlbelegungsabgabe, wenn sie wirklich eingeführt wird.
Dazu sollte man wissen, dass Berlin bei den Mietpreisen im Vergleich westdeutscher Großstädte aktuell im Mittelfeld liegt, das Durchschnittseinkommen ist gestiegen, liegt aber noch eher im unteren Bereich. Weil Berlin zwischen 1997 und 2008 ein vergleichsweise sehr niedriges Mietniveau (und Kaufpreisniveau) hatte, schmerzt der Anstieg seit 2008. Wirklich betroffen sind davon Leute, die a) in einer hippen Gegend leben und deren Einkommen b) seit 2008 nicht oder kaum gestiegen ist oder - in bestimmten Fällen - solche, die in einem Haus leben, das saniert/renoviert wird/wurde.
In Bezug auf letzteres gibt es ein paar schwarze Schafe bzw. miese Typen unter den (Neu)Eigentümern/Vermietern/Hausverwaltungen, die Mieter mit fiesen Methoden herausekeln wollen, weil sie die sanierten Wohnungen meistens verkaufen wollen. Diese Fälle schaffen es zu recht in die Medien, teils sogar überregional. Das ist aber nicht der Normalfall.
Worüber nämlich so gut wie nicht berichtet wird, ist der ungleich häufigere Umstand, dass aufgrund der in den meisten Bezirken geltenden Spekulationsfrist (Neueigentümer dürfen 7 oder 8 Jahre lang nicht auf Eigenbedarf klagen) angemessene Abstände für einen Auszug bzw. Umzug gezahlt werden. Verhandlungsbasis sind die Mehrkosten des Mieters für eine vergleichbare Wohnung in vergleichbarer Lage plus Umzugskosten. Das wissen die meisten Betroffenen, und das weiß man auch beim Interessenvertreter Mieterbund - während die Branchen-Konkurrenz des Mieterbundes, die Berliner Mietergemeinschaft, eine ehemalige(?) DKP-Vorfeldorganisation, aus ideologischen Beweggründen davon abrät, die Abstände zu nehmen. Wobei ich nicht glaube, dass Leute, die halbwegs rechnen können, dem Votum der Berliner Mietergemeinschaft ggf. folgen und keine Summe für angemessen halten.
Bei den Abständen gibt es zusätzlich Mitnahmen. D.h.: Wer in einem Haus lebt, das saniert und/oder in Eigentumswohnungen umgewandelt werden soll und sowieso einen Umzug plant, teilt dies dem Neueigentümer, der weiterverkaufen will, selbstverständlich nicht mit, sondern verhandelt mit dem Neueigentümer oder dem Kaufinteressenten desselben über einen Abstand. So hatte ein alter Studienkollege von mir, der als Kaufinteressent eine Wohnung besichtigt hat, in der noch ein Mieter lebte, der sagte, dass er nicht ausziehen möchte, zunächst ein schlechtes Gefühl, weil er ja niemanden irgendwo rausdrängen wollte. Als der Mieter ihn dann aber plötzlich anrief (womit klar war, dass dieser sowieso raus wollte), wandelte sich dieses schlechte Gefühl, da er dem hart verhandelnden Mieter (Marke zauseliger Altlinker) 15.000 Euro Abstand für den Auszug gezahlt hat, der auch ohne sein Zutun stattgefunden hätte. Aus dergleichen kapitalistischem Mieterglück möchte ein sozialkritischer Journalist selbstverständlich keinen Fernsehbeitrag zimmern.
Ein Bekannter einer Freundin wiederum trieb es dabei auf die Spitze und zog in den letzten Jahren vier mal innerhalb Berlins um und kassierte bei jedem Umzug einen guten Abstand. Im Endeffekt hat er durch bloßes Wohnen über die Jahre sogar mehr Geld verdient als er an Miete gezahlt hat. Mittlerweile hat er sich beim Mieten leicht verspekuliert; das Haus, in dem er jetzt lebt, wurde bis heute weder verkauft, noch saniert.
Lange Rede, kurzer Sinn: Es gibt unter langjährigen Berlin-Bewohnern sicher Härtefälle, die von den gestiegenen Mieten in Berlin negativ betroffen sind, aber einiges ist dann doch bloßes Luxusgejammer. Und das hat dann zum Teil ungute politische Wirkungen. Z.B. die, dass der beim zweiten Hinsehen mit Blick auf Inhalt und Effekt sowieso fragwürdige Milieuschutz* in den Stadtbezirken mit grüner Mehrheit noch ausgeweitet wurde. Nach Eigentümerwechseln dürfen bestehende Häuser bzw. Wohnungen nicht mehr dem Zuschnitt nach verkleinert oder vergrößert werden. Das soll Hausverkäufe minimieren und den Bestand an Altmietern bzw. Mietern mit niedrigem oder eher unterdurchschnittlichen Einkommen maximieren. Es wird aber wohl kaum verhindern, dass in den betroffenen Gebieten gerade bei Neuvermietungen die Miete erhöht wird. Und wenn bestehende Häuser durch das Verbot von neuen Zuschnitten als Investitionsobjekte weniger attraktiv werden, werden auch weniger Mieter den üblichen, aber öffentlich eher beschwiegenen Abstand kassieren können.
Was den Anstieg der Mieten zumindest eindämmen könnte, wären im Endeffekt nur neuer bzw. mehr Wohnraum in den Innenstadtbezirken (öffentlich, öffentlich gefördert und privat). Hinkt man hier dem hohem (und wahrscheinlich hoch bleibenden) Zuzug weiter hinterher, werden mit den Jahren eben auch das hinterletzte Neukölln (der an Kreuzberg angrenzende Teil ist schon hip) oder aber auch der eher "einfache" Wedding erst recht gentrifiziert.
Aber sag das mal Leuten, die mit Angebot und Nachfrage mental auf Kriegsfuß stehen oder Politikern, die Leute, die mit Angebot und Nachfrage auf Kriegsfuß stehen und laut herumnölen, für ihre Kernklientel halten.
Die meisten darunter sind mitnichten sozial bedürftig. Vielmehr frönen sie, mal Umweltschutz, mal Solidarität mit den sozial Schwachen vorschützend, nach dem unausgesprochenen Motto "Unser Dorf soll so bleiben wie es ist" dem Sanktflorianismus und/oder pflegen einen entsprechend verdrucksten Sozialneid, der sich realiter gegen Leute richtet, die nur etwas mehr Steuern zahlen als sie selber. Man kann das Ganze getrost auch unter Stadtteil- oder Kieznationalismus zusammenfassen. Häufig steht "Bürgerinitiative" drüber.
* Wohnungseigentümer mit mittlerem Einkommen, die ihre 100qm Mittelklassewohnung in Pankow selber bewohnen, dürfen z.B. aus einer Rumpelkammer kein zweites WC machen, weil dies unter Luxussanierung fällt. In anderen Milieuschutzverordnungen fielen längere Zeit zeitgemäße Massenware-Handtuchhalter-Heizkörper aus dem Baumarkt unter Luxus - war ein alter Rippenheizkörper kaputt, musste gemäß Milieuschutzverordnung wieder ein alter eingebaut werden. Den Vogel schoss man in Kreuzberg ab. Vor Inkrafttreten der Milieuschutzverordung gab es in einem Haus, das von den Eigentümern selber bewohnt wird, die Genehmigung für einen Aufzug für die beiden noch nicht fertiggestellten Dachgeschosseinheiten. Als die Eigentümerversammlung, bestehend aus braven Kreuzberger Grün-Wählern, übereinkam, den Aufzug zu bauen und die Kosten dafür aufzuteilen, war aber die Milieuschutzverordnung in Kraft. Der Aufzug durfte, da wert- und damit potenziell mietsteigernd, nur dann gebaut werden, wenn er nur zu den beiden Dachgeschosseinheiten führen würde. Mal ganz abgesehen davon, dass auch Kreuzbergerinnen und Kreuzberger alt werden oder körperbehindert sein und zwingend auf einen Aufzug angewiesen sein können. Dieser Teil der Verordnung ist dann auch nach Jahren gerichtlich gekippt worden.
Der prominenteste Vorreiter des Milieuschutzes in Berlin, ausnahmsweise kein Grüner, sondern der Pankower Sozialdemokrat Kirchner, hat in einer Fernsehdiskussion auf den Einwand eines Rechtsexperten, der sagte, dass große Teile der Milieuschutzverordnung vor Gericht wahrscheinlich keinen Bestand hätten, geantwortet: "Ich habe Zeit."
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Divara,
23.10.2015, 17:33
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27.10.2015, 18:02
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