Die Alternative - endlich gerettet

Schlemiel, Montag, 24. August 2015, 10:24 (vor 3550 Tagen) @ Alex

Nächstenliebe gab es schon immer und sie war auch schon immer an die Eigenliebe gekoppelt.
Vielleicht sollten wir erst mal über die Definition streiten.


Nächstenliebe und Eigenliebe? Bumsen und wichsen? Was genau soll dieser wirre Einwand? Was hat philantropisches Verhalten mit Egoismus zu tun (wobei ich Egoismus wertfrei und nicht als verwerfliches Moment betrachte)


Ohne sich selbst und die Welt zu mögen ist es auch schwierig, wenn nicht unmöglich, anderen altruistisch zu begegnen.
Mehr wollte ich damit nicht sagen.


Das ist auch richtig. Erst die volle Wampe kann mich im besten Falle zur moralischen Handlung bringen.

Es gibt einen eklatanten Unterschied zwischen «germanischem» (Kant, Nietzsche) und «romanischem» (Rousseau, Montesquieu) Menschenbild. Während der Deutsche immer versucht, einer Art «Idealbild» des Menschen nachzustreben und ihm durch Umerziehung und moralischer Repression zum Besseren zu bekehren (was zwangsläufig in Faschismus führt), so begutachtet der Romane den Homo sapiens und versucht, auf ihn zugeschnitten ein Gesellschaftsbild zu entwickeln, das ihn hauptsächlich davon abhält, sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen. Und während im Deutschen sich das Individuum dem Kollektiv unterordnet und die Herrschaftsverhältnisse (Monarchie) nie anzweifelt, wird es im Romanischen zum selbständigen, auch zum eigenverantworlichen Handeln gezwungen. Die moralische Mehrleistung wird nicht aus sich selbst heraus (Deutschland), sondern durchaus aus einem Verständnis der menschlichen Natur belohnt (der nach Demokratie strebt), sei es durch gesellschaftliche Anerkennung oder Steuerbegünstigung. Und während Kant den Menschen verpflichtet, immerzu dem moralischen Ideal nachzuhecheln, erläutert Rousseau das Menschsein zum Angelpunkt und (wichtig!) wertet nicht über dessen Fehler und Abgründe.

Das war die eigentliche Leistung der französischen Revolution: Der fehlbare Mensch wird nicht mehr verurteilt, sondern in seiner Fehlbarkeit angenommen. Die Hinkehr zum Besseren wird nicht mehr als «göttlicher Imperativ» verstanden, sondern als gesellschaftlicher Auftrag, wo die Strukturen, Erziehung, Bildung, Besitz und Verteilung die zentrale Rolle spielen.

Dass das die Kirche in ihren 2000 Jahren Herrschaft versäumt hat, ist ihr Problem. Der individuelle Glaube ist davon aber nicht berührt. Jeder soll machen, was er will. Aber die blutige Camarilla hat als gesellschaftliche «Instanz» spätestens 1789 abgedankt. Und das war nötig.



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