Die "Propagandaschlacht" des Spiegel

@Franz - Posthumer Wechsel, Montag, 03. November 2003, 11:29 (vor 7865 Tagen) @ @Franz - Spontan ins Messer gelaufen

...der Staatsangehörigkeit

Nächster Punkt sind die Totenzahlen und die
Identität der Opfer. Jeder israelische oder
palästinensische Tote wird mit Altersangabe beim
Namen genannt. In anderen Weltregionen bin ich
nicht bewandert. Aber ich vermute mal, dass
Reuters und ap mit eben solchem Fleiß die Namen
und Altersangaben der drei Millionen Todesopfer im
Kongo, der 2 Millionen Toten im Südsudan, der
250.000 europäischen Toten im ehemaligen
Jugoslawien gesammelt und veröffentlicht haben.
Ganz gewiss wurden auch die Namen der
Hunderttausenden Toten des Irakkriegs publiziert.
Ich habe sie trotz intensiver Suche nicht
gefunden. Nicht einmal die Namen der Erfurter
Schüler nach dem Amoklauf wurden von den
internationalen Agenturen mit derart akribischer
Genauigkeit nach Neuseeland, Japan, Argentinien
und Südafrika vermeldet. Mir ist klar, dass 3000
Tote nach drei Jahren Krieg in Nahost ungleich
schwerer wiegen als die amorphe Masse der 3000
Toten des 11. September. Zweifellos erzeugt jeder
tote Palästinenser, dessen Leiche sogar aus dem
Kühlschrank hervorgeholt wird, um für alle Welt
sichtbar gefilmt zu werden, mehr Mitgefühl und
Empathie als die Toten von New York, Tel Aviv oder
Jerusalem. Denn die hat niemand jemals gesehen,
weil sie aus Gründen der Pietät nicht gefilmt
werden. Amerikaner wie Israelis halten eine
derartige Leichenschau für geschmacklos und
ekelerregend, was jedoch amerikanische wie
israelische Fernsehsender nicht daran hindert, die
Bilder toter Palästinenser, Afghanen oder Iraker
auszustrahlen. So entsteht »Mitgefühl« nur für die
jeweiligen Feinde, während man es bei den eigenen
Toten wohl voraussetzt. Bei arabischen
Fernsehsendern soll das exzessive Zeigen der
eigenen Verletzten und Toten weniger »Mitgefühl«
auslösen sondern vielmehr den Hass auf den Feind
(Israel oder die Amerikaner) schüren.

Bei der nationalen Identität der Toten gerieten
die Agenturen ins Schleudern, sowie deren
Schubladendenken ins Wanken geriet. Wer mehr Tote
hat, ist Opfer. Wer weniger Tote hat, ist Täter
oder Übeltäter.

Monate lang lautete die Statistik X Palästinenser,
Y Israelis und 13 Andere. Irgendwann verschwanden
diese Ufos wieder. »Andere«, das waren 13
israelische Araber, bei Unruhen im Kernland
Israels umgekommen. Jüdische Israelis, bei der
gleichen Gelegenheit umgebracht, wurden nicht
mitgezählt.

Bald gab es neue Komplikationen. Harry Fischer,
deutscher Chiropraktiker, wurde im November 2000
von einer israelischen Rakete in Beth Dschallah
getroffen. Der wurde als Ausländer angeführt.
Ebenso ein erschossener griechischer Mönch.
Stillschweigend und posthum wurden sie später zu
Palästinensern gemacht. Auch auf der israelischen
Seite bürgern die Agenturen posthum die Ausländer
ein. Ich denke da an Amerikaner, Franzosen,
Philipinos und Chinesen, die bei
Selbstmordattacken in Jerusalem oder Tel Aviv
getötet wurden und in den Statistiken zu getöteten
Israelis gemacht werden. Solange die ausländischen
Toten noch frisch im Gedächtnis sind, formulieren
die Agenturen dann: »X starben auf der
israelischen/palästinensische Seite«

2331 Palästinenser sind tot. Aber wurden sie
tatsächlich »von den Israelis getötet«, wie manche
Ministatistiken unterstellen?

Das Institut für Konter-Terrorismus in Herzlija

ICT, International Policy Institute for Counter
Terrorism
http://www.ict.org.il/

zählte am 19. Juni zudem 787 tote Israelis.
Inzwischen stieg die Zahl auf über 800. Andere
Quellen andere Zahlen. Meines Wissens wendet
allein das Institut in Herzlija wissenschaftliche
Methodik an. Dieses makabre Thema hat eine
entscheidende Bedeutung für die Wahrnehmung des
Konflikts durch die deutschen Medien, denn Tote
machen die größten Schlagzeilen.

Weit über die Hälfte der palästinensischen Toten
waren Kombattanten oder »mutmaßliche
Kombattanten«. Bei den Israelis sind es nur 20
Prozent.

107 palästinensische Frauen wurden getötet,
darunter 27 Kombattanten, also
Selbstmordattentäterinnen und ähnliches. Das sind
weniger als 4 Prozent aller palästinensischen
Opfer. Auf der israelischen Seiten dagegen wurden
242 weibliche Todesopfer gezählt. In absoluten
Zahlen sind das dreimal mehr als die toten
Palästinenserinnen.

Auch wenn ich hier den abgedroschenen Spruch,
»Jeder Tote ist zuviel« anbringe, stimmt da etwas
nicht. Der Eindruck in Deutschland, als würden die
Israelis blindlings gegen palästinensische
Zivilisten vorgehen, klingt unglaubwürdig
angesichts der extrem niedrigen Zahl toter
Palästinenserinnen.


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