Die "Propagandaschlacht" des Spiegel

Wenn Vergeltung ins Auge geht, Montag, 03. November 2003, 11:38 (vor 7865 Tagen) @ Wer tötete die Selbstmörder? (3)

Vor allem in Deutschland verbindet sich jüdische
Vergeltung mit Rache. Dann sind wir ganz schnell
bei Luthers Erfindung des jüdischen Rachegottes im
Gegensatz zum christlichen Gott der Liebe
angelangt. Sogar Hitler berief sich gegenüber
evangelischen Bischöfen auf Luther, um
Bücherverbrennungen und Judenverfolgungen zu
rechtfertigen. Dass sich die israelische Regierung
von einem archaischen Rachegott anleiten lasse,
wird immer wieder behauptet. Das wird klar, wenn
die vermeintliche israelische Vergeltung als
Balkenüberschrift mit dem von Luther falsch
interpretierten Bibelvers rausposaunt wird: Auge
um Auge, Zahn um Zahn. Wer es bis heute nicht
kapiert hat, hier ein kurzer Hinweis: Unser
deutsches Strafgesetzbuch hält sich an das
biblische Prinzip Auge um Auge, denn es bedeutet
nicht Rache, sondern Geldstrafe für den Täter und
Schadenersatz für das Opfer. Luthers
Interpretation ist Antisemitismus der übelsten
Sorte. Wenn also dpa über israelische »Vergeltung«
berichtet, dann betreibt ahnungslos die gesamte
deutsche Presse von der Tagesschau bis zur letzten
Dorfzeitung eine subtile antisemitische Hetze in
der besten Tradition des Stürmers. In extrem
seltenen Fällen reden die Israelis von einer
»Peulat Tagmul«, also Vergeltung. Selbst die
Zerstörung von Terroristenhäusern bezeichnen die
Israelis »Abschreckung« und nicht biblische Rache.

Auch palästinensische Terroranschläge sind nur
selten Racheakte, obwohl ad hoc ein zufällig
gelungener Anschlag zu einem Racheakt deklariert
wird. Im Nahen Osten herrscht Krieg. Da geht es
Schlag auf Schlag. So zu tun, als sei die Attacke
von heute die Reaktion auf den Angriff von
gestern, ist lächerlich bei dem Gedanken, dass die
Palästinenser 200 Selbstmordattentate seit 1994
ausgeführt haben und die Israelis 200
Palästinenser gezielt oder ungezielt getötet
haben. Weder Terroranschläge noch Liquidierungen
lassen sich innerhalb weniger Stunden planen,
vorbereiten und ausführen.

Ich setze nicht den israelischen Staatsterror mit
dem legitimen palästinensischen Widerstand gleich,
oder den palästinensischen Terror mit der
legitimen israelischen Selbstverteidigung. Mögen
Sie für sich selber die passende Formulierung
auswählen. Es handelt sich um Wortspiele in einer
ekelhaften Wirklichkeit. Für mich hört freilich
der Spaß auf, wenn die deutsche Öffentlichkeit mit
scheinbar harmlosen Worten und fragwürdigen
Ministatistiken gezielt zu Judenhass, falschem
Mitleid und Parteinahme gedrängt wird.


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