Memento Mori

Final Cut, Samstag, 19. März 2016, 16:43 (vor 2921 Tagen) @ 0blomow

Echt final das ist und bleibt ein Horrorjahr; die Lücken bei unseren Helden werden
werden immer größer...


Sie kommen aus der Generation der zwischen 1940 und 1950 geborenen und Musik "machten". Gerade noch oder kurz nach dem Kriege geboren, überwiegend aus ärmlichen Verhältnissen. In den 1960ern waren sie Mitte zwanzigoder noch jünger und führten ein physisch ruinöses Leben, als würden sie keinen Gedanken an das übermorgen verschwenden. Drogen, Alkohol, Qualmerei. Nichts wurde verpasst, alles mitgenommen, auch die Hippie-Zeit, die eine positive Stimmung gegen den Weltschmerz der Rebellion brachte.
Ein Segen für die, die Ende der 1960er gerade noch Schüler waren. Nur ganz allmählich hatte sich bei den Sendern durchgesetzt, auch 'Neger-Musik' zu spielen, dem alten Muff und Mief den Garaus zu machen. Freddy trillerte noch: "Hundert Mann und ein Begehl....". Formal antifaschistisch, im Herzen aber doktrinär.
Auf der Landhochzeit wurde Heintjes "Mama" gespielt. Man sagte mir, er habe schon etliche Goldene Schallplatten, ich kannte ihn nicht, hatte noch nie von ihm gehört. Ja, Peter Alexander schon, auch Gerhard Wendtland waren "ein" Begriff. Aber Heintje?
Und das Hochzeitspaar in dem 300 Seelen-Ort kannten nicht "With a little Help from my Friends" ( Joe Cocker). Die Provinz schien stehengeblieben zu sein in den Fünfzigern und schüttelten nur den Kopf angesichts der Berliner-Verhältnisse, des "Klassenkampfes" auf den Straßen, die Irritation der alten NachkriegsOrdnung. Der Angst vor dem Kommunismus, "Geh' doch rüber!"
Die eigentliche Peer-Group bildeten die Mitschüler. Auch in der Schule gab es Veränderungen. Noch 1957 sollte vom konservativen Gymnasium eine Schülerin verwiesen werden, weil sie trotz Abmahmung in engen Hosen zum Unterricht kam. Offiziell nannte man den Vorwurf freundlicher, im Schüler-Jargon hieß es, sie sehe den Lehrern zu "nuttig" aus. Und nun- 10 Jahre später - gab es die gewählten Schülerparlamente, die einwenig mitbestimmen konnten. Ich erinnere mich gut, dass ein 13 jähriger Schüler der 7.Klasse in der Vollversammling den Antrag stellte, ein Liebeszimmer in der Schule einzurichten. Die Mehrheit stimmte nach ausgiebiger Diskussion zu. Und so wurde der Vorstand aufgefordert, dies auch innerhalb von drei Monaten umzusetzen.

Gern schaue ich zurück auf die Zeit der Oberstufe: Man kam 'geschafft' aus der Schule, trank noch mit den Genossen einen Kaffee im Stehen bei Tschibo ( 15 Pfg./Tasse ) und diskutierte "Agent-Orange" ( Entlaubungsmittel im Vietnam-Krieg ), gegen 15.oo h war man zuhause. Dann hielt man einen kurzen Mittagsschlaf ( weil man nächtens zu wenig geschlafen hatte ), oft auch allein. Um 17.oo h, gleich würde im Rias ( Rundfunk im amerikanischen Sektor ) der BeatClub beginnen, Hits und Neuvorstellungen, die innerhalb der nächsten drei Wochen in den Charts ganz oben stehen würden. Und danach SFBeat, Sender Freies Berlin, ähnliches, etwas peppiger moderiert. Das waren Zeiten. Der Auswurf neuer Hits war nahezu unheimlich. Im Grunde konnte man zeitweise darauf wetten, welcher Song am Ende der Woche On-Top sein würde. Zwischendurch noch AFN oder BBC. Die Amis dudelten aber häufig noch dieses Hilly-Billy-Zeug, bei dem mir schlecht wurde.

Bewegte Zeiten, nicht unpolitisch. Gern gelebt. Dank auch denen, die mir die Songs zur rechten Zeit gaben, die ich in dem Moment brauchte.

Hier noch........ zur Erinnerung: When I was young
https://www.youtube.com/watch?v=ur30bn_3G58

Und hier noch ein Blick auf die Hitparade (willkürlich ausgewählt)

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Nummer-eins-Hits_in_den_britischen_Charts_(1968)
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Eine sehr schöne zeitgenössische Schilderung haben Sie da fabriziert, Kollege Oblomow. Damit haben Sie den Nerv der damaligen Zeit, was uns Jugendliche betraf, gut getroffen. Lediglich die gehörten (empfangbaren) Radiostationen waren unterschiedlich. In meiner Gegend waren das der BFBS (British Forces Broadcasting Service), der einmal pro Woche die TOP 20 ausstrahlte, wie auch Radio Luxemburg. (Sicherlich erinnern Sie sich noch an Camillo Felgen). Doch das allein stillte unseren Hunger nach neuer Musik nicht. Es dauerte nicht lange, dann hatte sich herumgesprochen, dass es gewisse Piratensender wie etwa Radio Caroline gab, die außerhalb der 3-Meilenzone lagen und nachts über Mittelwelle Songs ausstrahlten, die man sonst nicht oder nur spärlich zu hören bekam. Die wenig berauschende Tonqualität, die so ein batteriebetriebenes Transistorradio hervorbrachte, wurde gerne in Kauf genommen. Hauptsache die Stücke gefielen einem und man war auf dem neuesten Stand einer Musik, die unsere Altvorderen uns am liebsten vorenthalten hätten.

Zum Abschluss noch ein musikalisches Juwel, aufgenommen wurde es bereits 1966, doch erst 1970 veröffentlicht.

https://www.youtube.com/watch?v=_FWOPGFHdBw


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