Schreibrechtsreform 1995

Divara @, Dienstag, 11. August 2015, 09:33 (vor 3564 Tagen) @ NN

Ich denke aber auch, dass ein großes Problem darin liegt, dass einfach gar nicht mehr genug gelesen und geschrieben wird. Die ersten drei Klassen laufen ab wie eine verlängerte KiTa. Stress kommt plötzlich in der 4. Klasse auf, weil die Entscheidung über die weiterführende Schule fällt. Dann sollen sie plötzlich Dinge können, die sie nie gelernt haben (Das Gleiche wiederholt sich übrigens in Klasse 10).
Wenn etwas geschrieben wird, soll in der Regel der Banknachbar (die Banknachbarin!!!) korrigieren. Was dabei rauskommt, kann man sich leicht vorstellen. Aber der Lehrer als Autorität darf keine Rolle mehr spielen. Kinder wollen nämlich lernen, und wenn man sie lässt, dann lernen sie von ganz allein. (Dieses Konzept schafft den großen Markt für den Privatunterricht).


Ich kann zwar nicht beurteilen, ob dieser Unsinn flächendeckend praktiziert wird. Aber damit wären wir bei konkreten fachdidaktischen Mängeln, die nicht mit dem Hinweis beiseite gewischt werden können, dass Kinder bekloppter Eltern häufig ko-bekloppt sind.


Nein, sicher nicht. Erstens beziehe ich mich immer auf NRW (Platz 15 im Ranking vor Berlin), zweitens machen nicht alle Lehrer diesen Quatsch mit. Das Problem ist aber: Wenn ein Referendar eine Lehrprobe mit guter Note bestehen will, muss er diese Methoden vorzeigen. Dann werden die Schüler vorher gecoacht und gebeten, den Quatsch mitzumachen, was sie in der Regel auch tun. Kommt also die Regierungskomission, klappt alles wunderbar und die Qualität der Richtlinien sind bestätigt, die Kritiker widerlegt. Die Schüler kriegen zum Dank ein Eis. Und das ist flächendeckend so (in NRW).


Neulich las ich übrigens irgendwo, dass die weit überwiegende Mehrheit der Pädagogikdozenten an deutschen Universitäten als Erwachsene kaum je eine Schule von innen gesehen hat. Das war wahrscheinlich früher kaum anders; mit der Zeit mussten die Betreffenden sich jedoch immer was Neues (phonetisches Schreiben - was soll der Mist?!) oder alten Wein in neuen Schläuchen (mehr Gesamtschulen) überlegen.


Genau so ist es. "Pädagogik" ist ein seltsames Fach. Es ist uns beisielsweise bisher nicht gelungen, unseren frz. Austauchschlehrern zu erklären, was man darunter versteht. Sagt man in F. von jemandem, "il est très pédagogue",dann heißt das in etwa: "Er kann gut mit Kindern umgehen." Als Unterrichtsfach ist das für Franzosen also Unsinn.

Nebenbei erzählt: Ich war zu Schulzeiten Mitglied einer Fahrgemeinschaft. Höhepunkt dieser gemeinsamen Fahrt war es immer, wenn einer von uns Aufsicht bei einer Pädagogikklausur gehabt hatte und es ihm gelungen war, einen Klausurzettel zu ergattern. Dann gab es immer Stimmung im Auto. Die schönste Klausur war jene, in der die Schüler den Fall eines Kindes kommentieren mussten, das von seinem Vater in die Waschmaschine gesteckt worden war. Wir haben uns abgerollt, soweit das im Auto möglich ist.

Nein, da Pädagogik nur in der Oberstufe unterrichtet werden kann, haben die meisten dieser Dozenten überhaupt keine praktische Erfahrung mit jüngeren Kindern.

Überdies ist Lernen einfach und macht Spaß. Dazu reicht es, sich einmal den Büchertisch in irgendeiner Buchhandlung anzusehen, auf dem vor der Urlaubszeit die Sprachbücher liegen:
„Französisch mit Spaß“
„Italienisch in vier Wochen“
„Türkisch ganz leicht“
„Neugriechisch ist gar nicht so schwer“
„Chinesisch wie von selbst“
Und das hat natürlich Methode. Denn wenn das Lernen so leicht ist, dann sind die Privilegien, die durch Bildung erworben werden, natürlich ungerecht. Wieso verdient ein Habilitierter mehr als der Facharbeiter? Warum soll die Erzieherin nicht 10% Gehaltserhöhung fordern, wenn sie doch ebenso viel leistet wie ein Studiendirektor? Der hat sich nur durch das längere Studium eine zusätzliche Auszeit verschafft. Und nun steht er nur noch dumm vor der Klasse und lässt die Schüler selbständig arbeiten.


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Wahrscheinlich verfolgen einige pädagogische Theoretiker mit Blick auf "spielerisches Lernen" einen überzogenen Ansatz.

Für einige Praktiker klingt die Sache möglicherweise deshalb verlockend, weil zufrieden spielende Kinder weniger Stress machen.


Das allerdings müsste sich inzwischen als fataler Irrtum herausgestellt haben. Schüler, die die Zeit in der Schule absitzen müssen, ärgern sich auf die Dauer, wenn ihr Kopf kein Futter bekommt und ein zwei oder drei Chaoten die Szene beherrschen.

Die positive Nachricht: Eine ganze Reihe Schüler holt sich den Stoff, den sie haben wollen, tatsächlich selbst. Sie bleiben nicht alle blöd. Youtube ist eine unerschöpfliche Ressource. Dazu der Privatunterricht, den sich übrigens jede soziale Schicht leistet.Das Ärgerliche ist eigentlich nur, dass dieses Schulsystem ungeheure Summen verschlingt für nichts. Und dass akademisch ausgebildete, gutwillige Lehrer verheizt werden und immer seltener bis zum Pensionsalter durchhalten.


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