Bundestagsqual 2013

NN, Montag, 07. Oktober 2013, 18:24 (vor 4338 Tagen) @ mr-mali

- Und da wir gerade bei den Worten sind: zwei Begriffe vermeide ich: "Toleranz" und "Kunst". -

Toleranz ist so 'ne Sache: Wörtlich bedeutet es "Erdulden" und ich will nicht "erduldet" oder "geduldet" werden. Das bedeutet nur, dass mein Tun und Lassen zwar den "tolerierenden" auch den Sack vorbei geht, aber (noch?) lassen sie mich gewähren, in Ruhe... Keiner muss meiner Meinung sein, auch ich muss nicht jede andere Meinung "tolerieren": ich bevorzuge die Akzeptanz anderer Meinungen, ich "erdulde" sie nicht weil sie mir kein Pein verursachen sondern ich sehe in der anderen Meinung die Horizonterweiterung und eine Diskussionsbasis.

Das Problem mit der Toleranz besteht darin, dass sie heute meistens "Anerkennung" bedeutet. Das bedeutet gemessen an ihrer ursprünglichen Bedeutung (auch: "Hinnahme") nicht nur eine semantische Verschiebung ins Positive, sondern auch eine vom Passiven ins Aktive. Insofern ist es verständlich, wenn der Gebrauch des Wortes vermieden wird. Denn auch oder gerade in einer in mehrerlei Hinsicht pluralistischen Gesellschaft existierten diverse Meinungen, Lebensweisen und Handlungen, die lediglich erduldet/geduldet oder hingenommen werden bzw. werden können. Das gehört zum Wesen des Pluralismus. Wenn man so will, muss Pluralismus auch Pein verursachen.

Die "Akzeptanz" liegt nun zwischen der alten Wortbedeutung von Toleranz und Anerkennung. Daher ist sie in einigen Fällen das präzisere Wort.

Es bleibt aber eine gewisse Leerstelle für Toleranz in ihrer ursprünglichen Bedeutung. Es gibt nämlich Dinge, die man noch nicht mal akzeptiert, sondern lediglich aushält - ohne dass man darüber "fassungslos" ist. Wobei "Freiheit aushalten" auch eine Tugend sein kann. Und zwar insofern bzw. dann, wenn man eben nicht mit "unlauteren Mitteln" gegen die Meinungen, Personen und/oder Lebensweisen zu Felde zieht, die man lediglich erduldet.

Darüber, was nun im Einzelnen "unlautere Mittel", auf die es zu verzichten gilt, sind oder nicht, mag man nun streiten. Aber es lässt sich, und zwar von unterschiedlichen politischen Standpunkten aus, auch zivilisiert intolerant sein.

Dass jeder Demokrat in jeder Hinsicht tolerant ist, also allen (aus seiner Sicht) möglichen Scheiß anerkennt, ist jedenfalls allemal eine fromme Illusion. Auch die Grünen etwa, für die Toleranz im zeitgenössischen Wortsinn zu den vornehmsten Bürgerpflichten gehört, sind es nicht in jeder Hinsicht.

Es kommt also immer darauf an, was und wen man alles tolerieren soll/kann oder eben nicht.


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